Yglesias, Rafael: Glückliche Ehe
Autorin/Autor: Yglesias, Rafael
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Sündi
Wenn man/frau die Klassiker der Weltliteratur betrachtet, gibt es nur zwei Themen die regelmäßig auftauchen und wirklich von Bedeutung sind: Die Liebe und der Tod! Keine anderen Themen rufen derart intensive Emotionen hervor – sie werden diese Erfahrung wahrscheinlich auch schon am eigenen Leib verspürt haben.
Rafael Yglesias hat mit seinem autobiographischen Roman „Glückliche Ehe“ eine modernes Meisterwerk der Weltliteratur geschaffen – gleich vorweg: Ein unheimlich kluges und sehr, sehr berührendes Buch. Yglesias erzählt die verschiedenen Stationen einer (seiner) 30 Jahre währenden Ehe mit all ihren intimen und am Schluss erschütternden Details.
Das Buch beginnt voll Wortwitz mit dem Kennenlernen, dem Verlieben, dem ersten Kuss der 24-jährigen Margaret Cohen und dem drei Jahre jüngeren Enrique Sabas im wildromantischen New York der 70-er Jahre. Beide stammen aus jüdischen Familien, wie sie unterschiedlicher nicht sein können.
Die Cohens beruflich im Universitäts- und Finanzbereich angesiedelt, versuchen alles im Leben zu planen und zu kontrollieren. „Enrique hatte mehr mit seiner Schwiegermutter gemeinsam, als er zugeben wollte: Auch er glaubte, dass das Thema Geld ein sehr wichtiges war, vor allem für die anderen.“
Enriques Eltern sind Schriftsteller und fördern das Talent ihres Sohnes, der mit 17 Jahren die Schule abbricht, um seinen ersten Roman zu veröffentlichen. Margaret, eine brilliante Fotografin, hat kein besonders gutes Verhältnis zu ihren Eltern, ist eher in der kreativen Welt von Enriques Familie beheimatet und besitzt ein untrügliches Gefühl für Stil und Ästethik. „Sie hatten nun mal nicht den gleichen Geschmack und wollten manchmal verschiedene Dinge voneinander, und doch hatten sie zusammen ein glückliches Leben geführt – sie musste es doch verstehen.“
Parallel zur Entwicklung ihrer Beziehung mit all ihren Glücksmomenten und Problemen wie der Geburt des ersten Sohn und anschließenden Zweifeln an ihrer Liebe, die bei Enrique in eine Affäre mündet, erzählt Yglesias die letzten Monate ihres gemeinsamen Leben.
Mit schonungsloser Offenheit schildert er die Krebserkrankung Margarets, die Operationen, die Chemotherapie, die Verzweiflung und die Entscheidung seiner Frau, die lebensverlängernden Maßnahmen einzustellen.
„Zwei Jahre und acht Monate, einhundertsiebenundvierzig Tage und Nächte im Krankenhaus, drei große Operationen, ein halbes Dutzend kleinerer Eingriffe, vierzehn Monate Chemo, zwei Remissionen und zwei Rezidive“ bringen das Paar bei aller Traurigkeit näher zusammen, als es den meisten Menschen zeit ihres Lebens vergönnt ist.
Trotz der Brutalität des Themas und der offen zur Schau gestellten Intimität ist dieses meisterliche Werk immer getragen von unglaublich viel Feingefühl und Pietät, ohne falsch verstandene Sentimentalität. Yglesias gleitet niemals ins Kitschige ab, erhebt keine Anklage gegen die Ungerechtigkeit des Lebens und hat eine Wahrhaftigkeit in seinem Schreiben gefunden, die einem den Atem stocken lässt.
Besonders die letzten 14 Tage in Margarets Leben, dem Abschiednehmen von den Menschen die sie liebt, den letzten Gesprächen, der Auswahl der letzten Garderobe, dem Aussuchen der Begräbnisstätte, sind von einer emotionalen Dichte, die noch nicht sehr viele Schriftsteller zu Papier gebracht haben.
„Ihre Atmung hatte sich verändert und ging jetzt schnell und flach. So begann die letzte Phase, das hatte die Hospizärztin ihnen erklärt. Bald würde Margaret ins Koma fallen. Er sah seine Schwester an: Ihr Gesicht war tränenüberströmt. ‚Sie wollte dich’, sagte Rebecca erschüttert. Die Hospizpflegerin berührte ihn leicht an der Schulter, als schlüge sie ihn zum Ritter.
Er hatte sich die ganze Zeit getäuscht. Margaret hatte sich von ihm verabschieden wollen. Und sie hatte es getan, auf ihre beredte Art. Sie hatte es – trotz aller Hindernisse, die ihr die Natur und die Menschenwelt in den Weg stellten – geschafft, ihm zu sagen, dass ihre Liebe und seine überlebt hatten.“
PS: Elke Schmitter hat in einer Rezension in „Der Spiegel“ geschrieben: „Ein Buch gelesen. Geweint. Kommt ja nicht so häufig vor. Hat nicht nur mit dem Tod zu tun.“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!