Buchbesprechung/Rezension:

Victor Hugo: Der letzte Tag eines Verurteilten

verfasst am 16.10.2011 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Hugo, Victor
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[Gesamt: 5 Durchschnitt: 2.6]

Wenn im Jahr 2011 etwas geschieht, das Abscheu, Entsetzen und Unverständnis auslöst, dann muss das nicht immer ein Terroranschlag oder ähnliches sein. Es kann sich auch, und es geschieht in der Tat viel zu oft, um eine Hinrichtung in den Vereinigten Staaten handeln – wie zuletzt die staatlich angeordnete Tötung von Troy Davis, der im September mittels einer Giftspritze hingerichtet wurde. Trotz weltweiter Proteste, trotz erheblicher Zweifel an seiner Schuld.

Dabei muss es nicht immer Texas sein, diesmal war es der US-Bundesstaat Georgia, der nichts gegen diese Barbarei unternahm und auch weltweite Proteste einfach an seiner „Auge-um-Auge“-Politik abprallen ließ.

Im frühen 20. und noch viel mehr im 19. Jahrhundert war die Todesstrafe praktisch in jedem Staat der Erde möglich und auf der Tagesordnung. Geht man aber fast 200 Jahre in der Zeit zurück, ins Frankreich des Jahres 1829, dann trifft man dort auf einen Mann, der gerade ein Buch wider die Todesstrafe geschrieben hat: Victor Hugo. In einer Zeit, in der man Hinrichtungen auch noch gerne vor johlendem Publikum als ‚Top-Event‘ veranstaltete, gab es schon eine Stimme, die sich erhob, um dieser Barbarei Einhalt zu gebieten.

Fast 200 Jahre später sind es nicht nur die „Schurkenstaaten“, wie George W. Bush sie einst nannte, es sind auch die USA selbst, die als letzter Staat aus der Reihe der Demokratien noch Menschen umbringen (Dabei frage ich mich, wie man sich über eine Steinigung in Saudi-Arabien empören kann, wenn daheim den Leuten eine Nadel in die Vene gestoßen wird).

Fraglich ist natürlich, ob es die Ansichten irgendeines Unterstützers der Todesstrafe geändert hätte, hätte er „Der letzte Tag des Verurteilten“ gelesen.

Möglich aber auf jeden Fall, denn Victor Hugo schreibt über die letzten Tage des Delinquenten aus der Sicht des Todeskandidaten. Was dabei zutage tritt, ist wahrhaft beklemmend. Nicht wie erfunden, wie Dichtung, sondern wie ein Bericht (aus der Todeszelle), wie die wirklichen letzten Stunden eines Menschen, ein Tagebuch, das sich in Stunden einteilt. So nahe am Leben und am Tod, dass es beim Lesen schwerfällt, sich davon und daraus zu lösen.

Es ist ein Buch in der Sprache, mit den Inhalten der damaligen Zeit. Aber weil es die Erinnerungen, die Gedanken, die Hoffnungen und die Ängste eines Menschen beschreibt, der auf seinen unausweichlichen, gewaltsamen Tod wartet, gibt es keinen Unterschied zwischen damals und heute – das Leid ist zeitlos.

Hugo war gerade einmal 26 Jahre alt, als er dieses Buch schrieb. Keine Rede also davon, dass es die Weisheit des Alters sein muss, die für Erkenntnis sorgt, wie menschenverachtend und ungerecht die Todesstrafe ist. Hugo kam mitten in seiner Sturm- und Drangzeit zu dieser Erkenntnis: weil er sah und erkannte, wie mit viel zu vielen seiner Zeitgenossen umgegangen wurde.

Dieses Plädoyer gegen die Todesstrafe war der Startschuss für Hugos lebenslangen Kampf dagegen. Bis zu seinem Tod trat er gegen die Todesstrafe auf und war ein Wegbereiter für deren Abschaffung in vielen Ländern in den folgenden Jahrzehnten.

Es wäre an der Zeit, wenn die letzten verblieben Schurken-Bundesstaaten in den USA auch endlich in der Neuzeit, im 21. Jahrhundert ankommen würden, anstatt moralisch im Wilden Westen von Billy The Kid & Co hängenzubleiben. Denn nach heutigem Stand haben erst 16 der US-Bundesstaaten die Todesstrafe abgeschafft,  über China, Iran, Saudi-Arabien und Konsorten brauchen wir gar nicht zu reden.

Weitere Infos zum Thema Todesstrafe:




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