Buchbesprechung/Rezension:

Christian Kracht: Imperium

verfasst am 07.05.2012 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Kracht, Christian
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[Gesamt: 4 Durchschnitt: 4.8]

Zur Wende vom 19. zum 20. Jarhundert sonnen sich die Menschen Europas in ihrer vermeintlichen Rolle als Gipfel der Schöpfung, sind die Einheimischen in Asien, Afrika und anderswo wenig mehr Tagelöhner, die zum Wohle ihrer Herren zu arbeiten arbeiten. Noch scheint der Kolonialismus eine Einrichtung für die Ewigkeit zu sein. In jene Zeit führt und der Roman über die Reise des August Engelhardt.

Engelhardt, der in seiner Heimat Deutschland ein Sonderling ist, einer, der sich abseits der Strömungen des Lebens der Massen bewegt, der beseelt ist von idealistischen Vorstellungen, mit deren Hilfe er dem Wahren, dem Göttlichen nahe kommen will. Weit entfernt davon, ein religiöser Eiferer zu sein, ist er vielmehr ein Utopist, der geradlinig an der Verwirklichung seiner Vorstellungen arbeitet.

Seine Ziel, das Ziel seiner Reise ist die deutche Kolonie in Neu Guinea. Ein Ort, an dem er seine Pläne in Taten umsetzen will. So weit ist er zu Beginn aber Realist und der Welt der Normalmenschen verbunden, dass er mit neuen Geschäftsideen genügend Geld zusammenbringen will, um damit sein eigenes Utopia zu schaffen.

Tausende Kilometer von seiner hinter sich gelassenen Heimat Deutschland entfernt beginnt er ganz nach seinen Idealen zu leben. Ins Zentrum seiner Überlegungen, ja seines ganzen Lebenswandels stellt er die Kokosnuss, aus der er all das herstellen will, was ein Menschen zum Leben benötigt. Nahrung, Tinkturen, Werkzeuge, Brennstoff – alles das und noch viel mehr lässt sich aus dieser Frucht gewinnen. Dazu erwirbt er eine Plantage auf einer Insel, weitab vom Festland und von der Zivilisation.

Akzeptanz und Anerkennung findet er mit seiner Lebensart nur bei den Einheimischen, die sich bereit erklären für ihn zu arbeiten. Die deutschen Landsleute  in der Kolonie hingegen bedenken ihn vorrangig mit Spott und begegnen ihm mit Skepis und Unverständnis, wenn er in sich in größeren Abständen dort einfindet um seine finanziellen Angelegenheiten zu regeln.

Ein solches Aussteigerszenario, wie Christian Kracht es beschreibt, lässt sich heutzutage nicht mehr verwirklichen. Wo kann man sich noch um wenig Geld eine eigene Insel zulegen, wo kann man ganz und gar seine eigene Lebensweise genießen. Nichts ist in unsere Gegenwart so abgelegen, so einsam, dass man es sich dort einrichten könnten wie August Engelhardt.

Der Roman stellt schon mit seiner Form, seinem Stil klar , dass wir uns in einer vergangenen Epoche befinden. Die Sprache, die Formulierungen, die Wortwahl lassen an ein Buch glauben, das vor mehr als hundert Jahren geschrieben wurde. So als hätte ein Zeitgenosse Engelhardts Tagebuch über dessen Leben geführt.

Stil, Form und Inhalt machen diesen Roman gleichmaßen zu einem wehmütigen Abgesang auf frühere Zeiten und Ideen, wie auch zu einer Abrechnung mit den damals geltenden Vorstellungen von Moral und Menschlichkeit. Dies aber geschieht nicht in einer schulmeisterlichen, vorwurfsvollen Art, es bettet sich wie selbstverständlich in die Geschichte des August Engelhardt ein, der letztendlich, aller seiner idealistischen Ziele zum Trotz, doch auch nur eine Kind seiner Zeit ist, geprägt vom Kolonialismus im Kopf und Intoleranz im Handeln.

Ein Buch, das sich als als leichter Lesestoff tarnt, mit dem man dann aber die Unterschiede der Jahrhunderte für sich entdecken und dabei das Bild über die gute alte Zeit zurecht rücken kann.

Sätze, die sich wie in sanften Mäandern ausbreiten (manchmal aber auch ausufernd kein Ende finden wollen). Formulierungen, die wie von selbst auf den Punkt kommen (gelegentlich aber irgendwo den Faden verlieren). Eine Sprache, die es leicht macht in den passenden Rythmus des Lesens zu kommen (kein aber). Eine Geschichte, die ein wenig von jenem Bewusstsein für die Natur vorweg nimmt, das heute das Gebot der Stunde sein sollte.

Damals gab es keinen Platz für ökologisches Denken und für den Abbau der Überheblichkeit und des Rassismus der Weißen, weil die Menschen in ihrer überkommenen, vielfach kleingeistigen Denkweise viel zu sehr verhaftet waren. Und die in den danach kommenden Jahren noch viel weiter in diese zuerst nur irrigen und dann fanatischen, mordlustigen Welten abglitten. All das bildet des Rahmen der Geschichte des August Engelhardt.

Was sich in all den dazwischen liegenden Jahren geändert hat? Viel zu wenig.




Ein Kommentar

  • Dieter Kiepenkracher sagt:

    Der wahre August Engelhardt war nicht rassistisch, sondern ein Kosmopolit, wie seine eigenen Schriften zeigen, siehe:

    http://sites.google.com/site/augustengelhardt/

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