Buchbesprechung/Rezension:

Georges Simenon : Die Überlebenden der Télémaque

verfasst am 19.05.2012 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Simenon, Georges
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Vom Hafenkai des Küstenortes Fécamp aus sieht Claude Canut wie sein Zwillingsbruder Pierre gleich nach dem Anlegen seines Schiffes noch an Bord verhaftet wird. Er wird beschuldigt, ein paar Tage zuvor, kurz bevor er mit seinem Kutter auslief, einen alten Mann getötet und beraubt zu haben. Der Kommissar scheint sich seiner Sache völlig sicher zu sein, liegen doch die allgemein bekannten Motive zu dieser Tat mehr als 30 Jahre in der Vergangenheit und die wenigen am Tatort gefundenen Spuren verweisen direkt auf Pierre.

Claude ist zunächst ratlos, wie er helfen kann, nachdem auch die aufgebrachte Menschenmenge es nicht geschafft hatte, die Polizei von ihrem Handeln abzubringen. Er reist seinem Bruder ins nahegelegene Rouen nach, dem Sitz des Gerichtes und Ort des Gefängnisses, in dem Pierre festgehalten wird. Doch weder gelingt es ihm, den zuständigen Richter zu spechen, noch traut der dem Pflichtverteidiger. 

Claude schnell wird klar, dass er selbst aktiv werden muss, ansonsten würde sein Bruder im Prozess für schuldig befunden werden und für den Rest seines Lebens im Kerker landen. Für ihn steht fest, dass sein Bruder unschuldig ist, ja die Tat gar nicht begangen haben kann, widerspricht diese doch ganz eindeutig dessen Charakter. Wie er genau helfen kann ist ihm zunächst nicht klar, aber er übernimmt so etwas wie die Rolle des privaten Ermittlers, beginnt Fragen zu stellen, besucht Bekannte, folgt Hinweisen.

Doch die Justiz ist von der Schuld Pierres überzeugt, ist er doch einer der beiden Söhne des Pierre Canut, der mehr als 30 Jahre zuvor bei einem Schiffsunglück vor Südamerika ums Leben kam. Unter Umständen, die niemals richtig geklärt wurden, die jedoch wahrhaft grauenvolles vermuten lassen. Und der Ermordete war einer von vier Männern, die gemeinsam mit Pierres und Claudes Vater im Rettungsboot waren, das Ungück letztendlich aber überlebten.

Claude ist unbeugsam in seinem Willen, die Unschuld des Bruders zu beweisen. Jeder seiner Schritte bringt ein wenig mehr Klarheit, deckt ein wenig mehr von den Hntergründen auf,  verwirrt ihn dabei gleichzeitig immer mehr. Wie soll er nur alles einordnen, was er bei seinen Nachforschungen erfährt. Claud ist nicht der schlaueste, aber er weiß, dass er die richtige Spur finden wird.

Die Unsicherheit Claudes, sein Wunsch dem Bruder zu helfen, seine Ziellosigkeit und Verzweiflung, wenn er nicht genau weiß, wie er dies bewerkstelligen soll. Das alles kann man beim Lesen förmlich fühlen. Simenon zieht die Leserin/den Leser regelrecht hinein in dessen Gedanken und so ist man direkt dabei, wenn Claude seine nächste Schritte überlegt, wenn er unsicher ist, was dieses und jenes wohl zu bedeuten hat.

Das ist so modern, so aktuell, wie ein Roman, der heute und nicht vor mehr als 70 Jahren geschrieben würde. Nur an der Beschreibung der Lebensumstände und der Orte erkennt man, in welcher Zeit man sich tatsächlich aufhält. Der Rest aber ist nicht nur ein Krimi sondern auch das beeindruckende Psychogramm einer ganzen Familie.




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