Alexander Emmerich: Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über den Wilden Westen
Autorin/Autor: Emmerich, Alexander
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
In Wahrheit ist das doch dumm: man liest freiwillig ein Buch, in dem jede Menge an Kindheitserinnerungen und scheinbar fest verankerten Mythen einfach hinweggeschrieben werden. Alles reine Erfindung, diese ganzen John Wayne/Clint Eastwood-, Bartstoppel samt Mundharmonika-, Duell im Morgengrauen-Geschichten.
Nun gut, das wussten wir zwar schon zuvor, haben es aber – um der verklärten Erinnerung willen – erfolgreich verdrängt, aber mit diesem Buch hat man es endgültig schwarz auf weiß: so wie man uns den Wilden Westen jahrelang präsentiert hat, so war er gar nicht!
Warum also so ein Buch lesen?
Weil man sehr viel über ein Land, eine Zeit und deren Menschen erfährt. Das, was in zuerst in der Literatur seit Jahrhunderten und später auch in Filmen in unsere Häuser geliefert wird, bekommt mit den Fakten aus diesem Buch ein festes Fundament, wird zurecht gerückt oder in den passenden Kontext gestellt.
Natürlich wissen wir, dass Karl May & Co uns nur glorifizierende Legenden geliefert haben. An deren Glanz etwas zu kratzen ist nur der eine Teil dieses Buches. Der andere ist, dass – nehme ich an – für jede/n eine ganze Menge an neuen Informationen dabei sind.
Alexander Emmerich berichtet über Indianer und ihre Auseinandersetzungen mit den Europäern, die ihr Land okkupierten. Er schreibt über die Besiedlung und wirtschaftliche Eroberung des Landes. Er folgt den Pfaden der immensen Zahl an Einwanderern aus Europa, die im 19. Jahrhundert auf der Suche nach Freiheit und Wohlstand den Kontinent eroberten. Er erzählt von angeblichen Revolverhelden und zwielichtigen Gesetzteshütern und darüber, wie jene, über deren Leben später im Film erzahlt wurde, wirklich waren.
Einige Kapitel behandeln dabei tatsächlich keine „poplären Irrtümer“. Vielmehr wirft der Autor Fragen auf (die man selbst vielleicht nie gestellt hätte) und liefert dazu eine kurze Zusammenfassung von Hintergründen und historischem Umfeld. Manchmal kommt zwar ein Thema gleich in mehreren Kapiteln vor, in Summe aber hat man am Ende einiges an Wissen dazu gewonnen.
Es ist, man bemerkt es bald, nicht nur ein Buch über den Wilden Westen. Jedenfalls nicht über das, was wir so landläufig unter „Wilder Westen“ verstehen. Es ist ein Buch über 20 Abschnitte aus der Geschichte der USA; nicht über Präsidenten und Politik sondern über Menschen und Gesellschaft.
Ein Geschichtsbuch über Geschichte abseits der großen historischen Meilensteine, das aber genau deshalb viel darüber enthüllt, wie die USA sind zu dem entwickelten, was sie heute sind: ein zugleich tief zerrissenes wie auch ungemein geeintes Land.