Ralph Giordano – Ein Nachruf0 (0)
Helge Malchow, Verleger des Verlages Kiepenheuer & Witsch, würdigt den heute verstorbenen Ralph Giordano in einem Nachruf
„Heute morgen, am 10. Dezember 2014, ist der Schriftsteller und Publizist Ralph Giordano im Alter von 91 Jahren in Köln verstorben.
Ralph Giordano war aufgrund seiner jüdischen Herkunft mit seiner Familie Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungen, die er in einem Kellerversteck in Hamburg-Alsterdorf auf dramatische Weise überlebte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er Journalist und arbeitete als Redakteur bei der Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung. Von 1946 bis 1957 war er Mitglied der (seit 1956 illegalen) KPD. Nach seinem Bruch mit dem Stalinismus veröffentlichte er 1961 bei Kiepenheuer & Witsch das Buch »Die Partei hat immer recht«.
Von 1961 bis 1988 arbeitete er als Fernsehjournalist für den NDR und WDR.
Als Buchautor wurde er 1982 berühmt mit seinem autobiografischen Roman Die Bertinis, in dem er die Geschichte einer jüdischen Familie in der NS-Zeit erzählte. Als Buchautor setzte er sich in vielen Veröffentlichungen vehement mit der mangelnden Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen in der Bundesrepublik auseinander (Die zweite Schuld) und beklagte immer wieder die verborgene Kontinuität nationalsozialistischer Amtsträger in der Bundeswehr (Die Traditionslüge) in der Politik, in der Wirtschaft und Justiz.
Ralph Giordano war seit über 20 Jahren Autor des Verlags Kiepenheuer & Witsch, wo er neben Büchern über sein Lebensthema, der Bekämpfung des Totalitarismus, alter und neuer Formen von Rassismus und Islamismus zahlreiche Länderreportagen veröffentlichte (von Israel, um Himmels willen Israel , 1991, bis Sizilien, Sizilien! Eine Heimkehr , 2002).
Seine letzte Veröffentlichung Von der Leistung, kein Zyniker geworden zu sein fiel in das Jahr 2011.
Ralph Giordano wurde für sein publizistisches Werk vielfach geehrt, u.a. mit dem Leo-Baeck-Preis 2003.
Ralph Giordano wird uns fehlen. Er war eine unverzichtbare Stimme der demokratischen, politischen Kultur unseres Landes. Er war ein Rückgrat der Verlagsprogramme von Kiepenheuer & Witsch. In den letzten Jahrzehnten hat der Hamburger in Köln eine zweite Heimat gefunden. Er war uns allen, den Mitarbeitern des Verlags und vielen Autoren ein Freund, den wir nie vergessen werden.“
Helge Malchow für den Verlag Kiepenheuer & Witsch
Köln, den 10. Dezember 2014