Dieter Kühn 1935 – 20150 (0)
Dieter Kühn ist am 25. Juli 2015 nach schwerer Krankheit im Alter von 80 Jahren gestorben. Bis zuletzt hat er an neuen Büchern gearbeitet.
Dieter Kühn wurde am 1. Februar 1935 in Köln geboren und verbrachte seine Kindheit und Jugend in Bayern. Kühn besuchte die Grundschule in Herrsching/Ammersee und das Gymnasium in München. 1949 zog die Familie nach Düren, wo Dieter Kühn 1955 das Abitur ablegte. Er studierte Anglistik und Germanistik in Freiburg i.Br., München und Bonn. Während seiner Studienzeit war Kühn ein Jahr lang Assistant am Haverford College, USA. 1964 promovierte er in Bonn über Robert Musils Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ (die Dissertation wurde 1965 veröffentlicht).
Bereits ab 1960 hatte Kühn durch Publikationen, Hörspiele und Funkessays auf sich aufmerksam gemacht. Nach kurzer Tätigkeit als Redakteur arbeitet er seit 1965 als freier Schriftsteller. Sein erstes Prosabuch „N“ (1970), eine Biographie Napoleons, die nicht nur die historischen Realitäten wiedergibt, sondern auch mögliche Alter- nativentwürfe im Werdegang Napoleons thematisiert, machte ihn auf Anhieb einem größeren Leserkreis bekannt.
Das biographische Erzählen mit ganz unterschiedlichen Methoden, die ein großes Spektrum formaler Möglichkeiten umfassen, hat Kühn in der Folge an vielen historischen Figuren erprobt. Sein Romandebüt gab Kühn 1971 mit „Ausflüge im Fesselballon“ . 1973 folgte „Die Präsidentin“ über die Börsenspekulantin und Wirtschaftsverbrecherin Marthe Hanau. Er gab den Lesern in diesem Buch auch Einblicke in seine Annäherungsversuche an die historische Figur und die Schwierigkeit, ökonomisch-gesellschaftliche Vorgänge literarisch zu erfassen.
Ein großer, vielfach gepriesener literarischer Erfolg gelang Kühn mit „Ich Wolkenstein“ (1977), einer Biographie über den mittelalterlichen Ritter Oswald von Wolkenstein, die zum Auftakt seines berühmten Mittelalter-Quartetts wurde (siehe »Werke«) und in einer erweiterten und vollständig überarbeiteten Neuausgabe lieferbar ist. Dieter Kühn ist hier nicht nur als Romancier hervorgetreten (seine Einleitungen zu den großen Epen des Mittelalters sind faszinierende Kleinromane ganz eigener Art) – auch seine Übertragungen aus dem Mittelhochdeutschen machten Furore, sie waren und sind Schlüsseltexte einer neuen, aufregenden Ausein an dersetzung mit der Literatur des Hochmittelalters.
Auch mit den großen Biographien über Clara Schumann und Maria Sibylla Merian, dem Roman über das abenteuerliche Leben des elisabethanischen Dramatikers Christopher Marlowe ( “ Geheimagent Marlowe“ ) und den biographischen Erzählbänden “ Portraitstudien schwarz auf weiß“ und “ Ein Mozart in Galizien“ erweiterte Dieter Kühn kunstvoll die Möglichkeiten historischen Erzählens und literarischer Lebensdarstellung. Den Katastrophen des 20. Jahrhunderts widmen sich der historische Bericht “ Schillers Schreibtisch in Buchenwald“ , die umfangreiche Biographie “ Gertrud Kolmar“ , die Leben, Werk und Zeit der in Auschwitz er mordeten Dichterin nachzeichnet .
2010 erschien „Ich war Hitlers Schutzengel‹ – fiktive Versionen von Hitlers Ende – , 2011 der Erzählungsband „Den Musil spreng ich in die Luft. Gefälschte Geschichten?‹ und 2013 „Das Gesetz des Irrsinns‹. 2015 legte Dieter Kühn nach seiner Autobiographie „Das Magische Auge‹ (2013) den zweiten Teil seines Lebensbuchs vor: „Die siebte Woge‹ – ein »Logbuch« aus Werkstattberichten, dokumentierten Gesprächen und Erinnerungen als Selbstporträt eines Schriftstellers.
Dieter Kühn starb am 25. Juli 2015 im Alter von 80 Jahren in Brühl bei Köln.
Foto: Verlag S.Fischer