Buchbesprechung/Rezension:

Harald Darer: Herzkörper

verfasst am 21.08.2015 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Darer, Harald
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Maria Satori ist Juristin, kommt aus der Sozialarbeit und wird zur Rektorin an der Fachhochschule für Sozialberufe gewählt. Dieser Umstand ist interessant genug um, von Simone Remschnik für ihre Zeitung interviewt zu werden. Während des Interviews trifft Maria Satori diese Aussage: “Mitleid keine juristische und schon gar keine sozialarbeiterische Kategorie ist. Genausowenig wie Hoffnung, Glück oder Gerechtigkeit.”

Schnitt: Andi, Chris und Boro sind junge Männer, Jugendliche. Sie kennen einander seit ihrer Kinderzeit und hängen schon immer gemeinsam ab. Sie haben ein Spiel gefunden, bei dem es um nichts geht, außem dem Kick.

Auch andere wollten schon an diesem Spiel teilnehmen, doch sie hatten nicht die Nerven dazu. Eine Variante des Spiel sieht so aus: der über den Fuß gezogene Socken wird mit Opas Sliwowitz entzündet und dann mit Sliwowitz gelöscht; weil deshalb gleich der ganze Fuß brennt und als Ergebnis des Spiels eine tiefe Wunde bleibt; das ist zum Beispiel eine Sache, deretwegen die anderen nicht mehr mitmachen wollen.

Ein Spiel, bei dem man spürt, dass man am Leben ist; um den Preis sich selbst oder anderen wehtun zu müssen.

[… Pause:  ich habe vorerst genug gelesen und lege das Buch für einige Tage zur Seite. Ich lese weiter, über den nächsten, dessen Leben aus der Bahn geworfen ist…]

Rocko ist arbeitslos, Alkoholiker und darf in der Blechgarage von Rampitsch, dem Kohlenlieferer, schlafen. Andi, Chris und Boro haben ab und zu ihren Spaß mit Rocko. Hängen mit ihm ab. Da tut sich was. Die Umwelt hat keinen Spaß mit Rocko. Zum Beispiel der Amtsarzt der Rockos Krankenstand wegen eines Arbeitunfalls bestätigen soll. Er meint: “wer arbeiten will findet immer was.” Und der Amtsarzt schreibtn: “Verdacht auf Selbstverletzung zum Zwecke der Krankheitssimulation.”Die Folge: zwei Monate keine Auszahlung vom Arbeitsamt.

Rocko ist auch Vater. Über sein vergangenes Familienleben erfährt man etwas, als Rocko zufällig seine Tochter im Zug trifft. “Irgendeinem Psycho” erklärt sie ihren Schulkolleginnen, will mit dem Typen, der ihr da im Zug über den Wge läuft nichts zu tun haben.

Schnitt: die Jugend will sich immer von den Eltern abgrenzen und muss sich auch abgrenzen um sich zu emanzipieren. Gerade noch ein Beispiel, wie das Lebens abläuft, jetzt wieder dieses entrückte theoretische Wissen aus dem Munde von Maria Satori.

[… Pause: ich muss das Lesen wieder unterbrechen. Ich bin selbst Mutter und habe viel mit Jugendlichen zu tun. Dieser Kontrast zwischen der abgehobenen Theorie und der harten Realität trifft mich. Ich lese weiter und erfahre etwas über noch einen, dessen Leben sich immer nur im Kreis dreht…]

Rampitsch, der Kohlenlieferant hat ebenfalls eine Lebensgeschichte: Seine Mutter wurde ist schon lange tot. Er weiß nicht viel von ihr, aber genug um nicht mehr von ihr wissen zu wollen. Sie wurde am Ufer der Leitha verwahrlost und tot aufgefunden. Rampitsch weiß: “nur Bares ist Wahres”. Sein Bares reicht immer für die Gastronomie und die Huren.

[… Pause: so unterschiedlich die beschriebenen Personen sind, so ähnlich ist ihr Schicksal …]

Andi, Chris und Bodo verbessern ihr Spiel.
Rampitsch und Rocko besuchen gemeinsam ein Puff.
Die Zusammenfassung des gerichtsmedizinischen Befunds ergibt diabetisches Koma.
Das Leben geht einfach weiter.

Ich habe mich durch dieses Buch gekämpft. Denn Harald Darer vermittelt beinahe zu viel an Realität: der Widerspruch zwischen der Theorie, die vorgibt für viele Menschen, die sich an den Rand der Gesellschaft und darüber hinaus bewegen, einen Lösungsansatz für deren Probleme zu finden. Und der Praxis, in der viele (viel zu viele) unnumkehrbar über den Rand hinaus geraten und in den sozialen und menschlichen Abgrund fallen.

Ich möchte dieses Buch empfehlen.
Es zeigt einen Teil des Bildes unserer Gegenwart, wie sie wirklich ist




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