Buchbesprechung/Rezension:

Florian Illies: 1913
Der Sommer des Jahrhunderts

1913 Der Sommer des Jahrhunderts
verfasst am 03.12.2018 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Illies, Florian
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Hätte sich die Geschichte so weiter entwickelt, wie es nach dem Jahr 1913 auch möglich gewesen wäre, so würde die Welt heute vielleicht ganz anders aussehen. Für sich alleine betrachtet, war dieses Jahr eines voller Veränderungen, Versprechen, Ideen und Visionen. Ein Brückenjahr zwischen Epochen, ein Aufeinandertreffen von alten Ritualen und progressiven Ideen.

Alle diese Begegnungen, von denen wir hier erfahren und alle diese Begegnungen, die hätten stattfinden können. Florian Illies schreibt ein Geschichtsbuch über die Ereignisse an vielen einzelnen Tage. Dabei werden Verbindungen und zeitgleiche Geschehnisse sichtbar, die man bisher wohl noch nicht in Beziehung gesehen hatte. Was passierte an einen bestimmten Tag des Jahres in der Kultur, in der Politik, sei es in Wien, in Prag, in Berlin oder anderswo.

Mit dem Schwerpunkt in Mitteleuropa verfolgt Illies die (sich oft kreuzenden) Wege so vieler Menschen deren Namen und Leistungen uns heute wohl bekannt sind. Es sind Abschnitte im Leben von Freud und Schnitzler, Rilke und Kafka, der Mann-Brüder und Asta Nielsen, … mit den Protagonisten dieses Buches ließe sich endlos lange Liste erstellen.

Wenn auch der Schwerpunkt von Illies‘ Erzählung im Bereich der Kunst liegt, so gehören natürlich auch die Politik, Wissenschaft und Gesellschaft dazu, wenn man über dieses Jahr schreibt:

Der alte Kaiser residiert in Schönbrunn, Erzherzog Franz Ferdinand rast in seinem Wagen durch die Stadt. Hitler, Trotzki, Tito und Stalin sind zur selben Zeit in Wien und man mag sich vorstellen, wie sie einander, unbekannterweise, trafen, vielleicht sogar höflich grüßten und weiter zogen in ihre blutdurchtränkte Zukunft. In der Psychoanlayse fordert Jung seinen Lehrer Freud heraus.

Es ist eine Jahreschronik in literarischer Form, die ungemein viele Details und viel Unbekanntes zu einem lebendigen und fassbaren Bild über das Leben im Jahr 1913 zusammenfügt. So viele Namen und Erlebnisse wollen in diesem Buch untergebracht werden, dass am Ende immer nur ein kurzer Einblick möglich ist, für tiefer und ins Detail Gehendes reicht ein Buch alleine nicht aus. Florian Illies muss jedenfalls eine gewaltige Anzahl an Quellen durchgearbeitet haben, um ein so dichtes Porträt des Jahres 1913 zu schreiben. Trotz dieser Fülle an Fakten liest es sich aber leicht und ist dabei abschnittsweise auch sehr unterhaltsam.

Welch ein Glück – wir schreiben ja das Jahr 2018 und das vergangene Jahrhundert hat uns das Internet gebracht – lassen sich nach Lust und Laune und Interesse alle weiteren Informationen abrufen; insoferne ist „1913“ auch ein Anstoß für weitere, eigene Recherchen.

Im Jahr 2012 erschien dieses Buch, ist der Blick 100 Jahre zurück ist ernüchternd, denn wir wissen, was mit dem Erbe des Jahres 1913 geschah.

Und genau deshalb würde sich wirklich gerne die Antworte auf diese Fragen kennen:
Wie wird es wohl im Jahr 2113 sein, wenn dann jemand einen Blick auf das Jahr 2013 wirft?
Was wird geblieben sein, woran wird man sich erinnern?
Wie sehr wird die Einschätzung unserer Nachfahren von unserer heutigen Selbsteinschätzung abweichen oder sich mir ihr decken?
Sind wir noch da?

PS: Ich muss zugeben: es ist ein Versäumnis, dass ich dieses Buch erst jetzt, sechs Jahre nach dem Erscheinen, lese. Anlass ist das Erscheinen des zweiten Buches von Florian Illes über das Jahr 1913. Das steht schon bei mir und wartet darauf, gelesen zu werden.




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