Hans-Olav Thyvold: Brave Hunde kommen nicht zum Südpol
Autorin/Autor: Thyvold, Hans-Olav
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
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Die meisten hundeaffinen Menschen, so wie ich einer bin, werden sich oft wünschen, in den Kopf ihres Hundes schauen zu können, um zu erfahren, was sich der Vierbeiner gerade so denkt. Nun gibt es dazu eine Vielzahl an Büchern, die genau davon erzählen – aber vorwiegend sind darin vermenschlichte Gedanken nachzulesen (was man uns als Menschen aber auch nicht vorwerfen kann).
Hier ist es ein wenig anders. Denn natürlich bedarf es, um die Gedanken von Tassen, dem Hauptdarsteller und Ich-Erzähler, verständlich zu machen, einer Übersetzung ins Menschliche. Dazu kommt aber, und das ist durchwegs sehr gut gelungen, eine Zusammenführung dieser Gedanken mit den Erkenntnissen, die wir über Hunde und ihr Verhalten im Allgemeinen gewonnen haben. Also taucht man beim Lesen ein gutes Stück hinein in die Welt, wie sie aus der Perspektive eines Hundes aussehen kann.
Ein Erzähl-, Erfahrungs- und Lernbuch gleichermaßen. Man erfährt unter anderem auch eine ganze Menge über weit verbreitete Irrtümer bei der Interpretation von Verhaltensweise von Hunden. Tassen erklärt quasi den Menschen, wie sich die Welt für ihn darstellt, was er von diesem und jenem hält und was ihn überhaupt so den ganzen lieben langen Tag beschäftigt. Sehr amüsant und dabei auch sehr gut beobachtet und beschrieben.
Mit vielem, was wir Menschen den ganzen Tag treiben, geht es den Hunden wie einem außerirdischen Wesen: sie verstehen es nicht, sondern versuchen es in das einzuordnen, was ihrem eigenen Horizont entspricht. Was dazu führt – und ja, das kennen wir auch aus dem Zusammenleben zwischen Menschen – dass das eine oder andere Missverständnis entsteht.
Das ist Tassen: Er entspricht nicht dem Idealbild der Züchter, wie ein Cockerspaniel mit Stammbaum auszusehen hat und findet deshalb zunächst einmal keine Familie. Als letzter seines Wurfes bleibt er bei der Mutter und selbst die möchte ihn so schnell wie möglich loswerden. Womit dann niemand gerechnet hat, das ist der Auftritt von Major Thorkildsen: Der sieht Tassen und entscheidet kurzerhand: Das ist mein Hund (wenngleich er das nicht liebevoll, sondern eher sachlich meint).
Jetzt ist der Major tot und zurück bleiben seine Frau und eben Tassen. Auch wenn es zunächst eine traurige Geschichte ist, so ist der Roman doch von Beginn an zugleich auch sehr witzig. Es berührt zu lesen, wie Mensch und Hund, die bis zum Tod des Majors nie ein besonders inniges Verhältnis pflegten, immer mehr Vertrauen zueinander fassen. Bald unterhalten sich die beiden miteinander – das ist zwar natürlich fiktiv, beschreibt aber wirklich sehr treffend, wie ein Hund einem einsamen Menschen Halt geben kann.
Ich schaue zu meiner Border Collie-Hündin hinüber und denke mir, dass ich froh bin, dass sie nicht lesen kann, was sich Tassen über Border Collies denkt :-)
Und so geht die Story von Tassen und Frau Thorkildsen weiter:
Sie spricht vermehrt, Tassen meint viel zu viel, dem Drachenwasser zu. Wenn er jetzt nicht aufpasst, dann verbringt sie den Rest ihres Lebens zwischen Schnapsflaschen und Vormittagsfernsehen. Also ist er einfach für seinen neuen Lebensmenschen da, beschützt sie, motiviert sie, aktiv zu bleiben und alleine die Notwendigkeit, regelmäßig mit dem Hund nach draußen zu gehen, sorgt dafür, dass Frau Thorkildsens Lebensmut bleibt. Gemeinsam (!) mit Tassen bringt sie so viel wie möglich über Amundsens Expedition zum Südpol in Erfahrung; und dabei vor allem über das Schicksal der 100 Grönlandhunde, die auf die Reise mitgenommen wurden.
Tassen beobachtet nicht nur sein Frauerl, sondern die ganze Welt und das lässt ihn dann und wann am Verstand der Zweibeiner zweifeln (und dazu hat er ja, wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, jeden Grund)
Zwischen rührenden Szenen und absolut witzigen, schon an Slapstick grenzenden, Situationen wächst meine Begeisterung über dieses Buch mit jeder Seite.
Doch dann: Hätte ich besser schon 20,30 Seiten vor dem Schluss aufgehört zu lesen – was ich im Übrigen allen Hundefreunden dringend empfehle. Denn am Ende erstirbt meine Freude am Buch, weil dieses Ende mich regelrecht schockiert und falsch ist.
(Bis kurz vor Ende geb ich dem Buch mindesten fünf Sterne, danach keinen)