Buchbesprechung/Rezension:

Sabine Scholl: Die im Schatten, die im Licht

Die im Schatten, die im Licht
verfasst am 08.10.2022 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Scholl, Sabine
Genre:
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Ich hab mir für Grinzing einen Dienstmann engagiert, der hat mich nummeriert, damit mir nix passiert …

… Immer wieder erinnern sich Sabine Scholls Figuren in ihren Erzählungen an Liedtexte, so nebenbei. Die Orts- und Alltagsbeschreibungen zu ihren Frauenfiguren und aus ihnen heraus nehmen die Leser:innen in deren Welten mit. Auf 347 Seiten stellt sie mit genauen Recherchen Frauen schonungslos ins Zentrum, der spannenden und berührenden Frauenliteratur. Vor, während und nach dem Krieg erzeugen authentische und empathische Personen Nähe im Lesen.

Selbst für die Prinzessin Huberta, die den Führer besucht und er ihr nicht nur Rosen und einen Schäferhund schenkt, kommt Mitleid auf, als sie später in den USA weggesperrt wird. Für den Bürgermeister von Grieskirchen wächst dagegen kein Verständnis, wenn er seine blaue Tinte beim Unterschreiben der Akte genießt und meint, die internierten Personen in der Heilanstalt Niedernhart seien doch nur unnötige Esser.

Traude und Gretl sind ebenfalls aus Grieskirchen. Letztere ist erst mit der Uniform der Aufseherin wer in ihrer Heimatstadt. Sie treibt die Frauen im Lager nahe Linz zur Arbeit an – manchmal muss sie dafür die Peitsche einsetzen. Ihre Wut hat ihr ehemaliger Verlobter erzeugt, der sie im Stich lässt, nachdem er sie ausgiebig missbraucht hat.

„Wenn die Bomber tief fliegen, befielt sie ihren Frauen, ihre gestreiften Jacken am Boden auszubreiten, als Zeichen für die feindlichen Piloten. Weil Gefangenenlager werden nicht bombardiert.“

Das jüdische Mädchen Lotte wird aus Linz vertrieben, tanz in Shanghai im feinen Hotel, um die Familie zu ernähren. Ihr Papa, geprügelt von den Nazis, stirbt trotzdem.

„ … geschützt durch den großen Wetterfleck aus Loden, der eigentlich ihrem Mann gehört,“

ist Rosi in Aussee mit ihrem Waffenrad unterwegs, um die leerstehenden Häuser sauber zu halten. Bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit. Mit ihrem schlechten Bein ist sie nicht verdächtig. Von den Nazis und den Gendarmen kann sich niemand vorstellen, dass sie in den Nächten Lebensmittel und Nachrichten in die Hütten der Widerstandskämpfer bringt. Sie ist die Einzige, die Elsa, die jüdische Pastors Frau aus Berlin nicht im Stich lässt – bis diese einen Selbstmord vortäuschen muss, um ihre Kinder zu schützen. Rosi war wohl eine im Schatten, heute sehen wir ihr Licht in der finsteren Zeit.

Vera, die adelige Schlossfrau versucht sich und ihren Mann neutral durch den Krieg zu schleusen. Für ihn gelingt es kaum. Am Ende spielen die Waffen der austrofaschistischen Heimwehr nochmals eine Rolle.

Sabine Scholl hat einen wunderbaren und berührenden Roman geschrieben, der real existierende Frauen literarisch beleuchtet. Wie Francine, die Schauspielerin, die sich in Paris nicht entscheiden kann, mit dem „Vögeln gegen den Krieg“ mitzumachen oder doch die Liebe zu ihrem Nazi auszuleben. Am Ende lässt Sabine Scholl Rosi zusammenfassen:

„So sind wir Frauen nach und nach zu Schatten worden. Nur die Berge, die Steige, der See wissen was von uns und unseren Gängen. Das Rückgrat kommt von die Fisch her, heißt es. Deswegen ist es so schwach. So wie die Berge früher unter Wasser waren, so waren des auch wir. Und aufrecht gehen ist eine schwere Aufgabe für die Menschen.“




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