Buchbesprechung/Rezension:

Michel Jean: Qimmik

Qimmik
verfasst am 01.08.2024 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Jean, Michel
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In seinem neuen Roman „ Qimmik“ beschäftigt sich Michel Jean abermals mit den Verbrechen der Behörden Québecs an der autochthonen Bevölkerung der Innu.

Neben der Abnahme der indigenen Kindern, deren Erziehung in katholischen Internaten bzw. Freigabe zur Adoption, gehört das massenhafte Erschießen der Schlittenhunde zum üblichen Vorgehen der Polizei. Mit dem systematischen Töten der, als Qimmik bezeichneten Tiere, die in der Gesellschaft der Innu mehr als nur Tiere zum Jagen oder Ziehen von Schlitten sondern als Familienmitglieder behandelt worden sind, unterbindet man das traditionelle Jagen in den nördlichen Landstrichen. Das brutale Vorgehen der Polizei in den 1960er-Jahren hat Auswirkungen bis in die Gegenwart.

Die junge Rechtsanwältin Ève Beaulieu, die in einer renommierten Kanzlei in Québec arbeitet, übernimmt die Verteidigung von Uqittuk Ainalik, einem Innu, der im Verdacht steht zwei Rentner getötet zu haben. Der Mann schweigt beharrlich. Ève beginnt zu recherchieren und entdeckt, dass der Verdächtige für zwei weitere Morde als Täter in Frage kommen könnte. Die vier Toten haben eines gemeinsam: Sie sind ehemalige Polizisten im Ruhestand, die ihren Dienst in von Nunavik, dem Gebiet der Autochthonen verrichtet haben.

Bei den Recherchen zu Ainalik kommt quasi nebenbei heraus, dass der Verbleib eines der vom Jugendamt „beschlagnahmten“ Kinder ungeklärt ist. Das Mädchen ist am 7. Jänner 1995 geboren Èves Geburtstag.

„Ich atme die Luft des Nordens. Ihren leichten Salzgeruch, in den sich derjenige der Flechten mischt, die die Berge bedecken. Ich schließe die Augen und versuche, eine Erinnerung zu entdecken. Mein Gedächtnis ist leer. Diese mandelförmigen Augen, denen ich begegne, die braune Haut, das kohlrabenschwarze Haar, zum ersten Mal habe ich das Gefühl, wie alle zu sein.“
(S. 210)

Meine Meinung:

Wie schon in seinen anderen Romanen erzählt Michel Jean in eindringlichen Worten vom Schicksal der autochthonen Bevölkerung Kanadas, die systematisch zur Sesshaftigkeit und damit zur Untätigkeit gezwungen worden ist.

In zwei Zeitebenen und ebenso vielen Handlungssträngen erfahren wir die Geschichte des Jägers Ulaajuk und der Saullu, die mehrere Jahre gemeinsam auf Jagd gehen, bevor auch sie in ein Reservat in Nunavik umziehen müssen.

Der Erzählstrang in der Gegenwart beschäftigt sich nicht nur mit Ainalik, sondern auch mit Èves Herkunft, die, wie sie weiß, als Baby vom Ehepaar Beaulieu adoptiert worden ist. Da sie sich sehr geliebt fühlt, hat sie nie das Bedürfnis verspürt, nach ihren leiblichen Eltern zu suchen. Der Fall um Uqittuk Ainalik, der sie als „Schwester“ bezeichnet, bringt den Stein ins Rollen.

Die Beweggründe der Behörden, (autochthonen) Minderheiten zu assimilieren und/oder zu vernichten, wie es in einigen Ländern der Welt nach wie vor passiert, werde ich nie verstehen. Die Rolle der katholischen Kirche noch viel weniger. Das christliche Gebot „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.“ hat im imperialen Größenwahn keinen Platz.

Von den rund 20.000 Exemplaren des Qimmik, dem kanadischen Polarhund, die Mitte des 20. Jahrhunderts gezählt worden sind, sind in den 1970er Jahren kaum Überlebende zu finden. Der Club Canadian Canin schätzt die Population, der beinahe ausgerotteten Hunderasse aktuell auf ca. 300 Exemplare. Der kanadische Polarhund ist wie seine Verwandten der Husky und der in Sibirien, der Malamute in Alaska oder der Grönlandhund auf Grönland ein Arbeitsgefährte, den man als Familienmitglieder betrachtet und Respekt zollt.

Das Buch ist im kleinen, aber feinen Verlag Loijze Wieser aus Klagenfurt in gediegener Ausstattung als Hardcover mit Lesebändchen erschienen. Ich bin sehr froh, dass Michel Jeans Romane in diesem Verlag eine Heimat gefunden haben.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem erschütternden Roman über die systematische Vernichtung der autochthonen Lebensweise der Innu und Inuit in Kanada 5 Sterne und eine Leseempfehlung.




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