Buchbesprechung/Rezension:

Inge Grolle: Die jüdische Kauffrau Glikl (1646 - 1724)

Die jüdische Kauffrau Glikl
verfasst am 15.10.2024 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Grolle, Inge
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Nicht nur die Biographie selbst, sondern auch die Geschichte zu diesem Buch ist mehr als bemerkenswert.
Ein bemerkenswertes Zeitdokument aus dem Hamburg des 17. Jahrhunderts.

Ich habe das Buch im Museum für Hamburgische Geschichte gesehen und musste es sofort kaufen. Denn, sowohl die Biografie selbst als auch die Geschichte der Aufzeichnungen sind bemerkenswert.

Das Buch basiert auf der Autobiographie der Glückel, Pinkerle oder Glikl bas Judah Leib, Tochter des Judah Loeb, die zwischen 1646 und 1724 in Hamburg lebte. Das außergewöhnliche an diesem Zeitdokument ist die Tatsache, dass Frauen selten Biographien verfassten. Meistens waren sie des Lesens und Schreibens unkundig. Wenn sie aber dennoch über diese Kulturfähigkeiten verfügten, so schrieben sie allenfalls Kochbücher oder ihre Geschichten wurden niemals veröffentlicht.

Bevor Inge Grolle den ursprünglich in jiddisch geschriebenen Text bearbeitete, hatte der schon eine weite Reise hinter sich. Das Original ist verschollen. Glikls Sohn Moses hat es vorab kopiert, die Kopie landete in Budapest, danach in Wien, wo er von Berta Pappenheim (1859-1936) ins Deutsche übersetzt wurde.

Inge Grolle hält sich ziemlich genau an Pappenheims Übersetzung. Lediglich die „Gute-Nacht-Geschichten“ sind des besseren Leseflusses wegen in ein extra Kapitel zusammengefasst.

Was berichtet nun Glikl über ihr Leben?

Als junges Mädchen (zwölfjährig!!) wird sie, wie damals und den jüdischen Traditionen nach üblich, mit einem weitaus älteren Mann, Chajim, verheiratet. Lange Zeit dreht sich alles um die „drei berühmten Ks“ Kinder-Küche-Kirche“, wenn auch die „Kirche“ Synagoge heißt und die Reihenfolge vielleicht anders ist. Sie bringt insgesamt 14 Kinder zur Welt, von denen zwölf überleben. Eine große Ausnahme in einer Zeit, in der die Kindersterblichkeit extrem hoch ist.

Mit Chaijm lebt sie lange glücklich und in einigem Wohlstand. Als der Ehemann stirbt, führt sie seine Geschäfte erfolgreich weiter.

Das Blatt wendet sich, als Glikl den reichen Bankier Hirsch Levy aus Metz heiratet. Der macht wenig später Bankrott und der mühsam aufgebaute Wohlstand seiner Gemahlin wird bis zum letzten Zinnlöffel zur Abdeckung der Schulden verwendet. Auch Glikls Mitgift ist verloren. Die letzten Jahre verbringt Glikl in völliger Abhängigkeit im Haus ihrer Tochter.

Das ist die eigentliche Tragik der Glikl bas Judah Loeb. Sie, die immer alles daran gesetzt hat, selbstständig zu sein, ist nun auf das Wohlwollen anderer angewiesen. Glikl stirbt am 19. September 1724, mit 78 Jahren.

Sie berichtet – und das ist äußerst bemerkenswert – wie eine Chronistin über alltägliche Ereignisse. Daher erfahren wir vieles über Glikls Leben und Alltag, über ihre Gemütsregungen, Wünsche, Trauer, Enttäuschung sowie über Ereignisse, die Hamburg erschütterten. Sei es die Pest, die in Hamburg wütet, oder seien es Mordgeschichten und Aufstände.

Inge Grolle hat das Manuskript behutsam bearbeitet. Manchmal ist es nicht einfach zu lesen. Es ist aber ein bemerkenswertes Zeitdokument.

Die Abbildung auf dem Cover ist eine Verfälschung der Geschichte, da hier Berta Pappenheim in einer Kostümierung des 17. Jahrhunderts abgebildet ist.

Ich finde, dass das der Lebensgeschichte der Glikl keinen Abbruch tut. Der Leser kann sich selbst ein Bild der Kauffrau von Hamburg erschaffen.

Fazit:

Für Leser mit Interesse an der jüdischen Geschichte Hamburgs und interessanten Frauengestalten ist dieses Buch ein unbedingtes MUSS. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.




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