Martin Suter: Die dunkle Seite des Mondes
Autorin/Autor: Suter, Martin
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Elke
Urs Blank ist ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt, der in einer angesehenen Kanzlei arbeitet. Er zeigt niemals Schwächen, nutzt allerdings die Schwächen anderer dafür schamlos für seine Erfolge aus. Genau diese Eigenschaft machte ihn in der Branche zu einer Berühmtheit. Mit 45 Jahren erwischt ihn während eines großen geschäftlichen Deals in der Textilbranche die Midlife-Crisis mit vollem Karacho.
Er verbringt nachdenklich seine Mittagspausen in einem Park, dort trifft er das Hippiemädchen Lucille. Sie betreibt einen kleinen Flohmarktstand mit indischen Räucherstäbchen und Kleidungsstücke dieses Kulturkreises. Urs ist trotz Standesunterschied, den nicht nur er selbst sieht, hin und weg. Die Liebschaft läuft schon ein paar Wochen, da wird er von Lucille zu einem geheimnisvollen Selbsterfahrungstrip eingeladen. Urs packt die Lust auf das Abenteuer. „Raus aus dem Alltag“ sagt er zu sich und fährt mit dem Hippiemädchen zu Freunden ihrerseits, um die Wirkung halluzinogener Pilze auszuprobieren. Nach einem Ritual in einer Schwitzhütte samt Vorbereitung auf die bewusstseinserweiternde Reise werfen alle Beteiligten die Pilze ein.
Doch der vorerst skurrile und bunte Trip wirft Urs komplett aus der Bahn. Der Genuss eines unbekannten zyanblauen Pilzes führt zu einer erschreckenden Persönlichkeitsveränderung. Es gibt kein Universum um ihn herum, er selbst ist der Mittelpunkt der Welt. Er nimmt sein Ego als am Wichtigsten, wird kalt und unbarmherzig. Er kann plötzlich seine Aggressionen nicht mehr kontrollieren, hat keine Emotionen – selbst bei grausamen Dingen, die er durchzieht. Sein Über-Ich ist vollkommen ausgeschaltet.
Gemeinsam mit seinem Freund, einem Psychiater, beschließt er, in dessen Anwesenheit diesen Schwammerltrip zu wiederholen, um geheilt aus der Reise in die andere Welt zurückzukehren. Doch dieser Versuch bringt keine Veränderung. Um sich und seine soziale Umwelt zu schützen, zieht er sich immer mehr in den Wald zurück. Er muss diesen einen, seltenen blauen Pilz finden, davon ist er überzeugt. Nur dadurch, durch einen neuerlichen Trip, könnte er in sein normales Leben zurückkehren.
Zwischenzeitlich wird Urs bereits von der Polizei wegen Mordes gesucht, hat er doch mehr als ein Menschenleben auf dem Gewissen.
Eigentlich ist dieser Roman nicht neu, wie aus dem Erscheinungsjahr erkennbar wird. Trotzdem hat mich dieser Roman, in dem Martin Suter eine extrem surreale Welt zeichnet, gefesselt. Dieser Mann befindet sich in einem Ausnahmezustand, auf dem schmalen Grat zwischen Realität und Wahnsinn. Diese beiden, bekanntlich nicht weit auseinander liegenden Bewusstseinszustände zeigen so manchen Abgrund der menschlichen Seele auf. Für eine Tierliebhaberin wie mich, hat mich die erschreckende Emotionslosigkeit, mit der der Protagonist die Katze Troll killt, ziemlich mitgenommen. Das Buch, mit dem Titel eines meiner Lieblingssongs von Pink Floyd – The Dark Side of the Moon, ist trotzdem extrem spannend, die Infos zu den Pilzen sind gut recherchiert, da bin ich dann doch froh, dass die eigenen harmlosen, jugendlichen Eigenexperimente nicht so verlaufen sind :o)
Carlos Castaneda!!! Genau !!! Das Buch haben wir im Philosophie-Unterricht gelesen, war die Lieblingslektüre unseres Professors. Das muss ich doch noch irgendwo haben….
Hallo alle zusammen!
Endlich mal ein Buch, das ich auch schon gelesen habe!
Mit Andreas habe ich gemein, dass dies auch mein erster Suter war.
Mit dir Elke, nein nicht die „jugendlichen Eigenexperimente“, sondern dass mir das Buch ebenfalls sehr gut gefallen hat.
Ich hatte zeitlebens durch literarische Erfahrungen (Carlos Castaneda – Die Lehren des Don Juan) einen Mordsrespekt vor Schwammerl, Kakteen und anderen psychodelischen Pflanzen.
Ich tu‘ mir heute noch schwer, wenn ich panierte Champignons essen muss!
Das Grundproblem, die Persönlichkeitsveränderung beschreibt Suter auf sehr drastische Weise.
Die Frage bzw. das Risiko vor derartigen Experimenten ist ja, ob man wieder zurückkehrt.
Und wenn man sich in seinem eigenen Kopf einigermaßen wohlfühlt, ist es schon eine Tragödie, wenn man dann den Eingang zu sich selbst nicht mehr findet.
LG, Sündi.
PS: Übrigens danke auch ich Andreas für die rasche „Ver-Online.Ung“ der Beiträge!
Hi(gh) Andreas, ich bin ja auch erst durch den Literatur-Blog zu Suter gekommen. Vom Namen her, klar, war er mir bekannt. Aber ich hab kein Buch von ihm gelesen. Nun geht´s aber rasant dahin mit dem Schmöckern. Tolle Ideen, die der Herr zu Papier bringt. Danke übrigens für deine immer so schnelle Ver-Online.Ung der Bücher ;o)
Das war der erste Suter, den ich gelesen habe (selber wäre ich aber nicht darauf gekommen, war ein Geschenk). Nach einer kurzen Zeit des Eingewöhnens konnte ich dann nicht mehr aufhören zu lesen. Dieses Buch hat dann auch dazu geführt, dass seitdem jedes neue Suter-Buch immer gleich bei mir landet.