Buchbesprechung/Rezension:

Wieninger, Manfred: Der Engel der letzten Stunde

verfasst am 09.06.2010 | 5 Kommentare

Autorin/Autor: Wieninger, Manfred
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[Gesamt: 3 Durchschnitt: 4]

Als einziger Diskontdetektiv in Harland führt Marek Miert selbst so etwas wie ein Diskont-Leben. Abgewohntes Wohnbüro, abgewohntes Haus, abgewohnte Stadt. Er hätte es auch besser haben können, als ein so abgewohntes Leben zu führen. Als Polizist ihn Wien stand ihm zu Beginn seiner Kriminalisten-Karriere nur er selbst sich im Weg, genauer sein Sinn für Gerechtigkeit und damit war er in seinem Job bald abgemeldet und bald darauf freiberuflich tätig.

Nach Harland verschlugen ihn seine Wurzel, wo soll man denn sonst hin als in seinen Geburtsort, wenn man anderswo versagt hat. Das ist also seine Heimat und seine Wirkungsstätte: Harland. Er wühlt sich durch zerfallende Gebäude in denen zerfallende Menschen wohnen, eine Endzeitstimmung fast wie bei Mad Max. Blau-braune politische Brandredner inklusive und die brennenden Öltonnen kann man sich selbst dazu vorstellen.

Die Bezeichnung „Diskontdetetiv“ ist nicht gerade der Werbeschlager, denn Harland selbst ist schon jenseits des Diskonts, und schlechte Werbung bedeutet für Miert: keine Klienten. Der Auftrag, den er erhält um das kleine, seit Tagen verschwundene Mädchen zu finden ist somit wie in unverhofftes Geschenk für ihn.

Lange gibt es keine Spur, die Mutter des Mädchens und deren zwielichtiger Freund sind mehr an Barem als an der Aufkläung interessiert und die Spur der Verschwundenen verläuft sich schon kurz nach ihrem Aufbruch von der Schule, dort wo sie zuletzt gesehen wurde, im Sande.

Schneller als er bei der Lösung des Falles ist, findet er heraus, daß er nicht der einzige Detektiv ist, der engagiert wurde. Die Konkurrenz kommt aus Wien und kennt keine Hemmungen, wenn es um die Durchsetzung der eigenen Interessen geht – vor allem, als Miert sich weigert, deren geplante Filiale in Harland zu leiten und in dieser Funktion das Mädchen zu finden.

Düster und Deprimierend: Miert ermittelt am Rande der Gesellschaft und eines der wenigen Dinge, die ihn von diesem Rand abheben, das ist sein Gewissen. Er sieht Menschen und eine Gesellschaft, die immer weiter in Dumpfheit und Agonie versinken, aber er kann nichts tun, außer dafür zu sorgen, daß die Guten und das Gute wenigstens ab und zu gewinnen und daß ein paar der Benachteiligten doch zu ihrem Recht kommen. Mehr liegt nicht in seiner Macht.

Als sich heraus stellt, daß gar kein Verbrechen begangen wurde, sondern – in gewisser Weise – eines verhindert, da hat Miert auch gewonnen und ist mit seiner Welt eine Zeit lang wieder im Reinen.

„Der Engel der letzten Stunde“ ist mehr eine kritische Betrachtung der miserablen sozialen und moralischen Zustände als ein Krimi. Wobei ich dazu anmerken möchte, daß es nicht alles so grundsätzlich schlimm und ohne Perspektive  ist, wie Miert es erlebt und erzählt.  In so einem Land, wie das, in dem Miert zu Hause ist, würde ich selbst nicht gerne leben wollen.




5 Kommentare

  • Andreas sagt:

    @Karina
    Der erste Marek-Miert-Krimi ist „Der dreizehnte Mann“ aus dem Jahr 1999 (so lange gibts die Reihe schon … :-).
    Den neuesten Roman haben wir übrigens gerade in Arbeit.

  • Karina sagt:

    Ist das der erste Teil der Marek Miert Krimis?
    Mein Interesse ist geweckt und ich möchte sie alle lesen

  • Klinger C. sagt:

    :-))

  • Andreas sagt:

    Lieber Christian,

    stimmt, auf den Geschmack hast Du mich gebracht. Konkret verantwortlich für zwei Mierts gleich hintereinander ist aber diese handsignierte Ausgabe, die letzte Woche beim mir im Postkasten lag – da kann ich mich nicht zurück halten und muß gleich lesen :-)

    Noch dunkler wäre schlimm!! Andererseits finde ich, daß in den 5 Jahren, die zwischen der Veröffentlichung dieses Buches und „Prinzessin Rauschkind“ liegen, sich bei Miert einiges geändert hat. Ganz so düster ist es jetzt nicht mehr (oder sieht er es jetzt einfach nur anders?), eher noch skurriler. Das lässt hoffen, denn skurril ist mir dann doch weitaus lieber als dunkel.

  • Klinger C. sagt:

    Lieber Andreas!

    Ich hab dich anscheinend auf den Geschmack gebracht. Immerhin der zweite Miert-Roman in kurzer Zeit. Wieninger hat meines Erachtens auch sprachlich viel zu bieten, mit erzählerischer Brachialgewalt überzeichnet er die Realität gerade in dem Maße, dass die Handlung skurril, aber nicht unglaubwürdig wird. Zudem ist er ein Meister unorthodoxer Metaphern.
    Was für mich Wieningers Krimis auszeichnet, ist die darin zum Audruck kommende Sozialkritik, die meines Erachtens eine ganz wichtige Facette eines modernen, intelligenten Krimis darstellt. Natürlich malt er die Farben etwas düsterer als man sie vielleicht wahrhaben möchte, aber:
    Was ist, wenn die Realität noch dunkler ist?

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