Buchbesprechung/Rezension:

Steinfest, Heinrich: Mariaschwarz

verfasst am 29.10.2010 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Steinfest, Heinrich
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[Gesamt: 3 Durchschnitt: 3]

Wer die Ansicht vertritt, Bilder hingen nur an der Wand, um die dahinterliegenden Löcher zu verdecken, oder die Welt, diese fragile Kugel, werde nur durch den Wahnsinn im Gleichgewicht gehalten, der ist bei Steinfests Kriminalroman „Mariaschwarz“ bestens aufgehoben.

Hiltroff ist ein vom Nebel heimgesuchtes, grenznahes Kaff in Österreich, das neben einem weißglänzenden Kubus, in dem Kongresse stattfinden, vor allem einen See hat, dessen schwarzes Wasser diesem den Namen Schwarzsee, Schwarze Maria oder eben Mariaschwarz beschert. In Hiltroff gibt es eigentlich nichts, was Touristen anziehen könnte. Dennoch verfügt der Ort über zwei Hotels.

In dem einen, in dem auch eine Bar, das „POW!“ , etabliert ist, ist Vinzent Olander abgestiegen, ein Mann, der sich seit drei Jahren in Hiltroff ohne erkennbaren Grund aufhält, und der jeden Nachmittag einem Trinkritual, bestehend aus einer fixen Reihenfolge verschiedener Spirituosen, frönt. Eine perfekte Symbiose zwischen Wirt und Gast – so die Anfangsthese.

Diese Symbiose wird gestört, als der Wirt des POW!, Job Grong, Olander das Leben rettet. Olander vertraut sich dem Mann an und erzählt den Grund seines Aufenthalts in Hiltroff. Er sei auf der Suche nach seiner entführten Tochter. Vor Jahren habe er Clara nach Mailand zu deren Mutter, von der sich Olander getrennt habe, bringen wollen, da sei während der Taxifahrt ein Unfall, von dem sich später herausgestellt habe, dass er inszeniert gewesen sei, passiert und er habe Clara, als das Taxi zu brennen begonnen hatte, einer fremden Frau anvertraut. Auch als die Polizei die Frau dann später aufgespürt habe, sei seine Tochter verschwunden geblieben. Die einzige Spur führe nach Hiltroff.

Der richtige Kriminalfall setzt ein, als die Dorfjugend sich (offenbar) einen Jux macht und ein unscharfes Foto von einer Seeschlange, die ein Urzeitwesen sein könnte, vorweist. Plötzlich rückt Hiltroff in das Interesse der Öffentlichkeit. Ein Tross von Wissenschaftlern rückt an, unter anderem auch eine Biologin mit einem Unterseeboot. Neben unbekannten Schnecken und Bakterien am Grund des Sees entdeckt sie zwar kein Ungeheuer, dafür aber ein menschliches Skelett. Inspektor Lukastik beginnt in Hiltroff zu ermitteln.

Bald stößt er auf den mysteriösen Olander und begibt sich auf die Spuren von dessen Geschichte nach Mailand, wo er auf seinen Amtskollegen Longhi trifft, einen aalglatten Mafiatypen, der ihm aber ausreichende Unterstützung angedeihen lässt. Hier treten schon die ersten Löcher in Olanders Schilderung auf, dennoch steckt da mehr hinter dieser Entführung. Denn es gibt keine Tochter, aber ein adoptiertes Kind, das seinem Adoptivvater, einem Uniprofessor, entzogen wurde. Es tauchen seltsame Plastikfiguren aus Überraschungseiern auf und – die größte Überraschung – es gibt ein Werk in Hiltroff, das für einen italienischen Konzern u.a. diese Figuren herstellt.

Steinfest steigert die Handlung oft ins Groteske, das Seltsame daran ist aber, dass es in dem von ihm beschriebenen Kontext oft weniger skurril anmutet, als wäre alles normal (was ist schon normal?). Was mich beeindruckt hat, war, dass trotz der vielen Wendungen, vielen Nebenschauplätze (die wunderbar beschrieben sind), und vor allem vielen Personen, die Handlung dennoch leicht zu verfolgen ist, was daran liegt, dass Steinfest einen Erzählstrang entwickelt, der so fett ist, dass man ihn mit einer Flex schwer trennen könnte.

Neben der Steinfest typischen Art, alles (und da ist nichts vor ihm sicher) zu hinterfragen, trumpft er manchmal mit seinem Intellekt und Wissen über Kunst, Philosophie, Naturwissenschaft und Literatur auf, aber das lässt man sich gern gefallen. Er bietet auch keine klassische Lösung an, die Lösung ergibt sich ohnehin wie von selbst (muss sich denn auch alles auflösen?).

Dabei könnte man bei diesem Ende fast einen Romantiker in Steinfest erblicken, der uns die vorhergehenden 300 Seiten mit seinem Zynismus nur getäuscht hat (das aber perfekt). Mutig fand ich die Auseinandersetzung mit dem Thema Geschwisterinzest – und dies irgendwie auch romantisch.




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