Buchbesprechung/Rezension:

Philip Roth: Amerikanisches Idyll

verfasst am 10.03.2011 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Roth, Philip
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Nathan Zuckerman, alter Ego des Schriftstellers Philip Roth trifft in „Amerikanisches Idyll“ auf ein Idol seiner Jugend, den überragenden Sportler Seymour Levov, wegen seines Aussehens und seiner Abstammung auch der Schwede genannt. Der Schwede bittet ihn einen Nachruf auf seinen verstorbenen Vater Lou Levov, einen erfolgreichen Handschuhfabrikanten zu verfassen. Kurz darauf erfährt Zuckerman bei einem Klassentreffen von dessen Bruder Jerry, mit dem er die Schulbank gedrückt hat, dass der Schwede vor kurzem ebenfalls verstorben ist.

Daraufhin beginnt Zuckerman die Lebensgeschichte der Familie Levov zu recherchieren und enthüllt die Tragödien der schwedischen Einwandererfamilie, die sich den amerikanischen Traum scheinbar erfüllt hat und von der anfänglichen Idylle bleibt kein Stein mehr auf dem anderen.

Seymour Levov, für den Pflichterfüllung über alles geht, übernimmt nach einem Intermezzo als Ausbildner bei den Marines nach dem Zweiten Weltkrieg von seinem Vater die Handschuhmanufaktur „Newark Maid“ und macht daraus den erfolgreichsten Betrieb der ganzen Gegend.

Auch privat scheint ihm das Glück hold zu sein, denn er heiratet Mary Dawn Dwyer, eine ehemalige Schönheitskönigin aus Elizabeth in New Jersey und die beiden ziehen in ein altes, historisches Steinhaus im idyllischen Örtchen Old Rimrock, wo seine Frau einen Rinderzuchtbetrieb aufbaut. Dem Paar wird Meredith, eine Tochter geboren und wächst behütet in der ländlichen Idylle auf – bis auf einen Sprachfehler, der sie häufig stottern lässt, ein scheinbar völlig normales amerikanisches Kind.

Doch dann ziehen die Sechziger Jahre ins Land, der Vietnamkrieg, die Anti-Establishmentbewegung und es kommt zu Rassenunruhen im ganzen Land. Merry lässt sich von der Stimmung im Land anstecken, rebelliert gegen das Elternhaus und es kommt zur Katastrophe in Old Rimrock – die 16-jährige bastelt eine Bombe und sprengt im Jahr 1968 den Postladen des Ortes in die Luft. Dabei kommt auch ein Mensch, ein Arzt namens Dr. Conlon ums Leben und die Tochter der Levovs muss in den Untergrund abtauchen.

Dieses Ereignis führt zu „schrecklichen Verheerungen“ und die Familie zerbricht daran. Dawn wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen und der Schwede flüchtet sich in eine Affäre mit der Sprachtherapeutin seiner Tochter.

Nach fünf Jahren entdeckt der Schwede die landesweit gesuchte Terroristin durch einen anonymen Hinweis in unmittelbarer Nähe, in einer heruntergekommenen Gegend in Newark. Inzwischen ist sie einer indischen Sekte beigetreten, bis auf die Knochen abgemagert und lebt in absoluter Armut in einer Art von Kloake als Zimmer.

Mit erschütternder Ausdauer beklagt Seymour Levov das einzigartige Leid, dass finstere Mächte seiner Tochter und in weiterer Folge seiner Familie zugefügt haben. Jeder Gedanke wird gedacht, jede Vermutung auf ihre Relevanz geprüft, wo lag sein Fehler in der Erziehung, da bleibt nichts im Dunkel zurück. Der Schwede ist ein unspektakulärer Held, der zeitlebens versucht es allen Recht zu machen. Zuerst seinem Vater, einem gläubigen Juden, dann seiner Familie und natürlich den Kunden seines Betriebes. Dabei verkümmert seine eigene Persönlichkeit.

Mit großer Präzision schildert Roth die Stimmung in den Vereinigten Staaten, der euhorische Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg, die Zeit des Vietnamkrieges und der anschließenden Nixon-Ära, sowie die berühmt-berüchtigten Watergate-Anhörungen – der Vater des Schweden, ein rechtheberischer, sturer, alter Mann lässt bei den Fernsehübertragungen Schimpforgien vom Stapel, die einem Thomas Bernhard zur Ehre gereicht hätten.

Überragend und von unerreichter Meisterschaft sind jene Passagen, wenn der Autor von Leuten und Leben im jüdischen Newark erzählt, etwa von der Kunst des Handschuhmachens, alles getragen von einem grandiosen Sprachgefühl.

Fazit: „Amerikanisches Idyll“ ist ganz großer Stoff für das Gehirn!

PS: Philip Roth hat für dieses Buch den Pulitzerpreis erhalten. Sämtliche amerikanischen Literaturpreise nennt er inzwischen sein eigen, manche sogar mehrmals. Nur der Anruf aus Stockholm blieb bisher aus. Haben die etwa seine Telefonnummer nicht?

 




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