Buchbesprechung/Rezension:

Philip Roth: Jedermann

verfasst am 29.03.2011 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Roth, Philip
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[Gesamt: 5 Durchschnitt: 3.8]

„Er sank hinunter, fühlte sich aber alles andere als besiegt, ganz und gar nicht dem Untergang geweiht, nur darauf aus, wieder Erfüllung zu erleben, und dennoch wachte er nicht mehr auf. Herzstillstand. Er war nicht mehr, befreit vom Sein, ging er ins Nichts, ohne es auch nur zu merken. Wie er es befürchtet hatte von Anbeginn.“

Philip Roth beginnt in „Jedermann“ mit dem Ende, dem Begräbnis des namenlosen Protagonisten in einem kleinen, verrotteten, jüdischen Friedhof in der Nähe von New York. Anschließend erzählt er (nicht streng chronologisch) die Lebensgeschichte eines 73-jährigen namenlosen amerikanischen Jedermann, erweckt ihn quasi nochmals zum Leben.

Geboren als jüngerer von zwei Söhnen eines jüdischen Schmuck- und Uhrenhändler in Elizabeth („Jedermann’s Schmuckladen“) studierte er nach der Schulzeit Malerei, um anschließend aber in einer Werbeagentur Karriere zu machen und es bis zum Creativdirector zu bringen.

Insgesamt drei Ehefrauen „verbrauchte“ er auf seinem libidogesteuerten Weg durchs Leben, aus dem die Söhne Randy und Lonny, die ihn abgrundtief hassen und eine Tochter, Nancy, die ihn bewundert und vergöttert, hervorgingen. Irgendwie auch typisch Jedermann.

Schon im Alter von neun Jahren – er musste sich im Krankenhaus einer Leistenbruchoperation unterziehen – kommt er erstmals mit dem Tod in Berührung, als ein am Magen operierter Junge in seinem Krankenzimmer verstarb. Beinahe bin ich geneigt seine Krankheitsgeschichte zu referieren, die breiten, detaillierten Raum in der Erzählung einnimmt: Blinddarmdurchbruch mit 30, mit zunehmenden Alter Bypassoperationen, Hinterwandinfarkt, verengte Halsschlagadern – der ganz natürliche Verfall des menschlichen Körpers, es sei denn er ist Juppi Heesters.

„Das Alter ist kein Kampf; das Alter ist ein Massaker“, klagt eine alte Freundin während eines Telefongesprächs.

Der Tod ist die Klammer von „Jedermann“, präsentiert sich auf beinahe jeder Seite des Romans und Roth schildert in gewohnt lakonischer Sprache, ohne falschen Pathos den Kampf gegen das unausweichliche Ende. Die Flucht vor dem Tod wird zur zentralen Aufgabe seines Lebens und der körperliche Verfall scheint sein ganzer Lebensinhalt zu sein.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September zieht er in die Seniorenresidenz „Starfish Beach“ an die Ostküste, versucht sich wieder (erfolglos) der Malerei hinzugeben und kämpft doch nur mit weiteren Begleiterscheinungen des Alters: der Vereinsamung, fragiler Gesundheit, Krankheit, dem laufenden Verlust von liebgewordenen Freunden und der Hoffnung, die Menschen, die man geliebt hat, nicht allzu sehr verletzt zu haben.

Nicht nur auf Grund des Titel drängt sich ein Vergleich mit dem Mysterienspiel vom Leben und Sterben des reichen Mannes aus der Feder von Hugo von Hofmannsthal auf, wenngleich Roth die religiöse Dimension in seinem Jedermann ausklammert.

Vom Umfang her mit knapp 170 Seiten ein eher schmales Büchlein, ist es durch die faszinierende erzählerische Meisterschaft von Philip Roth trotzdem ein großes Kunstwerk.

PS: Wenn das Lesen für sie die Funktion der Weltflucht erfüllt, ist dieses Buch vielleicht nicht unbedingt der Stoff aus dem sie ihre Träume weben wollen.




Ein Kommentar

  • Heinze, Doris sagt:

    Wenn man Literatur nicht als „Weltflucht“ begreift, sondern als „Lebenshilfe“ ist der Roman durchaus lesenswert. Jeder Mensch hat im Endeffekt die gleiche Lebensperspektive, d.h. das Ende ist der Tod.
    Fontane brachte das in einem Gedicht sehr gut zum Ausdruck:
    „Leben; wohl dem, dem es spendet
    Freude, Kinder, täglich Brot,
    Doch das Beste, was es sendet,
    Ist das Wissen, daß es sendet,
    Ist der Ausgang, ist der Tod.“

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