Max Goldt Lesung im Rabenhof-Theater, Wien
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verfasst am 02.06.2011 | einen Kommentar hinterlassen
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Bis auf den letzten Platz ausverkauft, präsentierte sich das Wiener Theater am Rabenhof an einem lauschigen Frühlingsabend, genau genommen am vorletzten Tag, des alljährlich immer wieder entzückenden Zeitabschnitts mit  dem lieblichen Kosenamen Wonnemonat.

Max Goldt steht auf dem Programm, der Großmeister der satirischen Kolumne und ausgewiesener Spezialist für Kurzprosa. Eine Reihe hinter uns Klaus Nüchtern vom Falter und ein paar Reihen vor uns Hermes (privat in dunkles Tuch gehüllt),  der Reportagengestalter der Talkshow „Willkommen Österreich“. Alles angerichtet also für einen genussvollen Abend und das Gebotene ging mit den Erwartungen eine Liaison ein, wo man sagen muss, ja das ist wahre Wonne.

Fast schüchtern betrat Goldt Punkt 20 Uhr die Bühne in einem bräunlichen Nadelstreifanzug und einem Nadelstreifhemd! – vielleicht eine Anspielung auf das sich häufende Phänomen der Nadelstreifgangster, vielleicht aber auch nicht.

Eigentlich soll der legendäre Titanic-Kolumnist sein neues Buch „Gattin aus Holzabfällen“ vorstellen. Da es sich dabei aber um ein Bilderbuch handelt und Goldt sich standhaft weigert, einen Beamer, Laptop oder andere technische Apparaturen zu verwenden, weil da ja immer was schief gehen kann und nach Murphys Law auch geht, beschreibt er kurzerhand die gefundenen oder selbstgeschossenen Bilder verbal und trägt anschließend den Kommentar bzw. die Bildunterschrift vor.

Und wenn ich vortragen sage, dann meine ich es auch so, weil Max Goldt ist ein begnadeter Vorträger. Gestochen scharf seine Sprache, punktgenaue Betonung und richtige Pausensetzung – ein Labsal für meine schon bei so manchen Lesungen geschundene Ohren. Selbst wenn Goldt seine Stimme verstellt, wirkt sie niemals künstlich.

Natürlich gab es bei der zweistündigen Lesung auch Texte aus älteren Büchern zu hören, sowie Anekdoten, Lebensweisheiten und Zitate, regelmäßig unterbrochen von spontanen Beifallsbekundungen des Publikums. Mal ging es um „Würzburg, das Weinfass an der Autobahn“, dann waren wir plötzlich in Hannover, wo ein Bordell mit „spooning and snogging“ wirbt, also „Zungenküsse und kuscheln – genau die zwei Sachen, die man bei den meisten Prostituierten vermisst“, erzählt uns der Autor vielleicht aus eigener Erfahrung, vielleicht aber auch nicht.

Selbst mit Ratschlägen zur leichteren Bewältigung des Lebens ganz allgemein geizt Goldt nicht, beispielsweise durch den folgenden Telefondialog zur Abwehr von lästigen „Spamanrufen“.

Anrufer: Mein Name ist Meißner. Von der Forschungsgruppe Sprache.
Goldt: Glaub ich nicht.
Anrufer: Wie, das glauben Sie nicht?
Goldt: Naja, es gibt in Deutschland schon viele komische Namen, von der Heide, von der Lippe, aber von der Forschungsgruppe Sprache, so heißt doch keiner!
Anrufer: Das verstehe ich jetzt nicht.
Goldt: Das tut mir leid, tschüss!

Unaufgefordert (was nach der vielen Klatscherei sehr angenehm war) las Goldt noch eine Zugabe über eine Frau, die ihrem Sohn, der zur Homosexualität neigt und sich mit seinem Partner gerade vergnügte, den abgetrennten und konservierten Penis des Vaters ins Zimmer stellte, sozusagen die Rute im Fenster.

Und im Nu waren zwei Stunden vergangen, aber der Schlussapplaus und das Gelächter gutgelaunter Menschen schallte noch lange durch die Frühlingsnacht in Wien.

PS: Max Goldt trank während der Lesung vier Flaschen Mineralwasser, obwohl er gar nicht schwitzte und das finde ich auch eine äußerst bemerkenswerte Leistung.

Fotocredit: Chili Gallei für das RabenhofTheater




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