Wells, H.G.: Wenn der Schläfer erwacht
Autorin/Autor: Wells, H.G.
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
Als Graham erwacht, hat er zweihundert, genau genommen zweihundertunddrei Jahre lang geschlafen. Das Jahr 1899 ist das letzte Jahr, aus dem er noch Erinnerungen hat, dann fiel er in eine unheimliche, unerklärliche Starre und niemand rechnete mehr mit seinem Erwachen. Und jetzt ist er hier angekommen, mehr als 200 Jahre später.
Hier, das ist London. Eine Stadt allerdings, die ihm fremder nicht sein könnte und dabei ist die manchmal eigenartige Sprache und das fremdartige Zahlensystem noch die geringste der Fremdartigkeiten.
Graham, das erfährt er bald nach seinem Erwachen, ist der „Schläfer“, der Mann, der seit vielen Jahren der Herrscher der Welt ist. Einst vermachten ihm zwei Männer ihr Vermögen, schufen eine Treuhandgesellschaft um es zu verwalten. Und das Verwalten vermehrte seine Vermögen, immer mehr, unaufhörlich, bis ihm nun die Hälfte der Welt gehört. Dies ist der Moment in dem er erwacht.
Aus den Mitgliedern des Treuhandfonds wurde der Rat, der die Welt regiert. Eine Welt, in der sich mit Grahams Erwachen die Revolution erhebt, die die Herrschaft des Rates beenden will. 150 Jahre lang beherrschte der Rat die Menschheit, griff Schritt für Schritt in alle Lebensbereiche ein und wurde zur uneingeschränkten Macht. Die Mehrzahl der Menschen wird schon lange von der Bildung fern gehalten, womit auch zukünftig das Regime abgesichert werden soll. Wichtiges wird von nur Wenigen gesteuert und nur diese Wenigen können ein selbstbestimmtes Leben führen, während die große Masse in einer Art der modernen Sklaverei dahinlebt.
Doch was ist nun das Ziel des geheimnisvollen Mannes namens Ostrog, dem Führer dieser Revolution, der Graham wie selbstverständlich für seine Ziele einspannt?
H.G. Wells. beschreibt eine Welt, die von heute aus gesehen noch weitere rund 100 Jahre in der Zukunft liegt. Damit sind wir heute so ziemlich genau in der Mitte zwischen dem Erscheinen des Buches und Grahams Erwachen – ein guter Zeitpunkt, um Wells‘ Utopien einem Vergleich mit unserer Realität zu unterziehen.
In seiner erdachten Zukunft haben u.a. die Strassen die Schiene zur Gänze ersetzt (das haben wir gerade noch abgewendet), gibt es nur noch die Metropolen, die kleinen Orte sind verschwunden, regiert die Wirtschaft und hält sich die Politik als demokratischen Deckmantel, ist die Zivilisation weltweit vernetzt. Nun, da liegt Wells gar nicht so schlecht mit vielen seiner Prognosen.
Besser als angenommen geht es uns mit dem Fernsehen, denn das ist bei uns in Farbe und nicht Schwarz/Weiß, wie es Wells beschreibt. Dafür kennt er aber auch schon Satellitenübertragung und drahtloses Telefon.
Lesenswert nicht nur wegen der Phantasie, mit der H.G. Wells zu Werke ging sondern auch als Mahnmal dafür, welche Richtung unsere Welt nehmen könnte, wenn wir nicht zur rechten Zeit die richtigen Entscheidungen treffen.