Buchbesprechung/Rezension:

Don Winslow: Zeit des Zorns

verfasst am 02.01.2012 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Winslow, Don
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
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[Gesamt: 1 Durchschnitt: 5]

Schön, wenn man ein Buch liest und die Erwartungen daran erfüllen sich: Don Winslow ist wieder da! Nach der, für meinen Geschmack, schwer verunglückten Auftragsarbeit „Satori“ meldet er sich mit einem typischen Winslow zurück. So cool, so lässig, so rasant wie man es sich wünscht.

Im Zentrum stehen 3 KalifornierInnen, die so sind, wie man sich diese coolen Typen vorstellt. Bzw. so, wie sich jemand verhalten würde, der glaubt, dass er sich genau so verhalten muss um ultracool zu sein. Oder so cool wie es Nicht-Kalifornier von Kaliforniern erwarten. So in etwa.

Ben und Chon haben es sich mit einem Nischenprodukt im Drogenmarkt ausgesprochen bequem gemacht und O (die eigentlich Ophelia heisst – aber will will schon so gerufen werden)  holt sich von den beiden ihre Ration Sex ab. Oder umgekehrt, die drei machen in dieser 3er-Beziehung gegenseitig keine Schulden.

Jedenfalls lebt es sich gut und sorgenfrei. Wenn da nur nicht diese Nähe zu Mexiko wäre. Denn Mexiko = Drogenkartelle. Und Drogenkartelle = Ärger. So viel, dass selbst die friedlichsten Drogendealer irgendwann nicht mehr still halten können.

Dieser Zeitpunkt kommt, als 1. die Mexikaner das Geschäft von Ben und Chon übernehmen wollen und ihnen dazu 2. ein Video mit ein paar drastischen Beispielen über die Folgen einer Weigerung zukommen lassen. Und als sie 3. O(phelia) in ihre Gewalt bringen. Wobei – das war wohl klar, dass es praktisch dazu kommen musste: denn Ben und Chon hatten sich doch glatt geweigert, so mir nichts, dir nichts ihr Geschäft an die Mexikaner abzutreten und in Zukunft für das Kartel zu arbeiten.

Da mussten die großen Drogenbosse einfach reagieren und O kam ihnen gerade recht. Aber so groß und mächtig kann ein Kartell gar nicht sein: die Entführung der O (hat jetzt nichts mit Kleist zu tun) ist für Ben & Chon zu viel und jetzt kennen sie keine Zurückhaltung mehr. Ab sofort wird es … nun, beschreiben wir es vornehm zurückhaltend … rauh! Weil Winslow seine Charaktere dabei vor kaum einem Mord zurück schrecken lässt, wird es zwar ziemlich brutal, bleibt aber immer gerade noch diesseits der Grenze zu „zu brutal“.

Winslow feuert eine (Wort) Salve nach der anderen ab. Kurze Sätze, machmal nur einzelne Worte, immer sehr direkt im Ausdruck. Andauernd passiert etwas, jeden Moment muss man wachsam sein, denn man könnte in einen (Lese)Hinterhalt geraten. Das wird in Summe eine enorm spannende und fesselnde Angelegenheit. Zwar nicht nobelpreis-verdächtig, aber so gut, dass es für mich, trotz einiger etwas in die Länge gezogener Abschnitte,  einer der rasantesten Thriller der letzten Zeit ist. Nebeneffekt: man lernt, wie schnell sich knapp 340 Seiten lesen lassen – sehr schnell nämlich.

Dass man dabei wie selbstverständlich mit Ganoven sympathisiert, das merkt man kaum. Denn Ben und Chon, die haben zwar selbst genügend Dreck am Stecken (Drogenhandel, Mord, Bestechung, um nur ein paar ihrer Unanständigkeiten zu nennen und von allem nicht gerade wenig) aber gegenüber diesen bösen Kartellbossen sind sie so etwas wie die unschuldigen Waisenknaben. Und ausserdem helfen wir ja immer gern zu den Kleinen und verzeihen ihnen gerne ihre kleinen Entgleisungen…

Neu ist, dass Winslow in einem Roman auch direkt auf das aktuelle Zeitgeschehen Bezug nimmt. So findet auch Barak Obama Platz, die Republikaner bekommen ihr Fett weg und wir werden mit einigen amüsant/sarkastischen Bemerkungen über die Amis und ihre für uns manchmal recht befremdlichen Ansichten und Lebensformen versorgt. Das gibt dem Buch eine zusätzliche Dimension (gegenüber den bisherigen Winslow-Büchern) und könnte von mir aus auch in Zukuft in dieser Tonart weiter gehen.

PS: Beim Lesen aufs Atmen nicht vergessen. Das kann bei einigen Abschnitten nämlich leicht passieren.

PPS: Obgleich „Zeit des Zorns“ thematisch manchmal an „Tage der Toten“ anknüpft, kann man diese beiden Romane nicht miteinander vergleichen. „Tage der Toten“ war einer der besten Thriller der letzten Jahre während „Zeit des Zorns“ (ob diese Ähnlichkeit der Titel wohl zufällig ist, lieber Suhrkamp-Verlag? hmmm?) einfach „nur“ rasant und flott zu lesen ist. Aber das ist ja auch schon etwas!




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