Don Winslow: Kings of Cool
Autorin/Autor: Winslow, Don
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
Man nimmt das Buch in die Hand und denkt nur: Wow! Rundherum Schwarz, fühlt sich samten an, geprägter Deckel. Da hat der Suhrkamp-Verlag der ersten deutschsprachigen Hardcover-Ausgabe eines Winslow-Romanes (bisher ware es immer nur Taschenbücher) neben viel Optik auch gleich das passende Gefühl dazu verpasst.
Dann auch gleich eine Entwarnung für alle, die „Zeit des Zorns“ gelesen haben: machen Sie sich keine Sorgen, falls Ihnen die Namen der Hauptcharaktere bekannt vorkommen. Sie haben hier nichts doppelt gekauft, „Kings of Cool“ ist das Prequel – quasi ein „Wie-alles-begann“.
Jetzt sind aber genug Zeilen verschwendet, ab jetzt geht es nur noch um den Inhalt des neuesten Thrillers von Don Winslow. Don Winslow, das ist, für alle Neulinge, der Großmeister der semantischen Kurzschrift ( ???) . Wie? Ach so, ja: schreibe niemals einen ganzen Satz, wenn es auch ein halber oder noch weniger auch tut und entledige dich dabei auch möglichst vieler Satzzeichen – das ist damit gemeint.
Worum es geht? Ich versuche es einmal so zu schildern: Ben, Chon und O (Ophelia). Kalifornien, Kalifornien mit Sonne, Strand, Surfern. Irgendeiner hat Ben und Chon und O einmal die „Kings Of Kool“ genannt und das hat ihnen gefallen. Dem Typen damals übrigens weniger, denn der wollte sich einfach so in ihr Geschäft drängen; mitkassieren. Warum? Die Drei sind die Meister des gepflegten Dopes und betreiben ein lukratives Geschäft mit Marihuana der exquisiten Sorte. Marke Eigenzüchtung. Made in USA. Damit lässt sich eine ganze Menge Geld verdienen und abgesehen von gelegentlichen Querschüssen (!) von Möchtegern-Konkurrenten haben sie sich ein recht komfortables Leben zurecht gezimmert.
Tatsache ist aber, dass in diesem Land, zu dieser Zeit, in dieser Branche selbst der coolste und friedfertigste Ganove auf Dauer nicht in Frieden leben kann. Auch wenn Ben ein Pazifist ist und Chon ihm deshalb auch immer verschweigt, wenn er irgendwo etwas schlagkräftiger intervenieren muss. Irgendwann trifft auch ihn der harte Konkurrenzkampf; und dann mitten auf die Nase.
Das zentrale Thema sind die Lebensgeschichten von Ben, Chon & O. Aber wirklich ganz von Anfang an. Soll heissen, dass die Story der Drei schon zu einer Zeit beginnt, als ihre Eltern im Nebel von Dope, Summer Of Love, Sonne und Surfen (genau, damals im Orange County, Ende der 1960er) wirklich noch keinen Gedanken an Nachwuchs verschwendeten.
Und was stellt sich heraus? Die Äpfel (alle drei!) fallen nicht weit von den Stämmen. Gibt anscheinend doch Dinge, die in den Genen verankert sind und sich von Generation zu Generation vererben. Dazu gehören: Ärger mit der Konkurrenz und den Cops, Geld mit Dope verdienen, High-Life in Kalifornien geniessen. Und ein paar andere Dinge auch noch, aber dafür gibt es das Buch um es zu erfahren.
Und: Kalifornien ist kleiner als man denkt. Jedenfalls dort in den Surfer- und Hippiehochburgen läuft man sich alle paar Generation über den Weg. Fragen Sie einfach Ben, Chon & O – die können Ihnen was erzählen über Generationskonflikte!
Nach kurzen Ausflügen in die diversen Familiengeschichten kehrt man immer wieder in die Gegenwart zurück. Dort ist es inzwischen Bens kleinstes Problem, nur eine auf die Nase zu bekommen. Rundherum beginnen die Leute zu sterben wie die Fliegen und die Konkurrenz, die Cops und die DEA machen dem Trio ordentlich Dampf unterm A..
Winslow erzählt zwei spannende Geschichten: Die von heute und die der, wenn man so will, „Vorfahren“. Was vor 40,50 Jahren als kleines Geschäft begann, ist heute eine millionenschwere Branche. Und entsprechend sind im Laufe der Jahre die Sitten rauher geworden. Und überhaupt haben sich praktisch alle Träume der „68er“ in Schall und Rauch aufgelöst. Beide Stories sind dabei jeweils für sich alleine gesehen schon aufregend, machen aber natürlich ingesamt gesehen noch mehr Sinn.
Und wie er sie erzählt: vorbereitet hat man sich zwar optimalerweise mit ein paar älteren Winslow-Thrillern, aber jetzt sitzt man über den Buchstaben und denkt sich erst einmal: Häääh? Und wartet, dass sich ein paar (oder auch viele) Seite später das, was man gerade gelesen hat, irgendwie in ein Bild fügt.
Das hängt auch damit zusammen, dass die Story (es hier schon als Handlung zu bezeichnen, wäre übertrieben) zu Beginn wild hin und her springt. Erst langsam lassen sich dann ein paar Schwerpunkte erkennen und, so etwa nach einem Viertel des Buches, wird es endlich überschaubar. Jetzt sehen Sätze auch wie Sätze aus! Und wenn man es bis hierher geschafft hat, sollte man sich passenderweise denken: Hääääh! Coool! Jetzt hat man endlich verstanden, worum es geht!
Also nicht (ver)zweifeln sondern lesen. Für geeichte Don-Winslow-LeserInnen ist „Kings of Cool“ ein Buch das sein muss. Für Neulinge ist es wahrscheinlich etwas gewöhnungsbedürftig. Ein Tipp dazu: beim Lesen hin und wieder laut mitreden (vorher aber bitte abklären, dass niemand in der Nähe ist). Und lassen sie sich nicht von gelegentlichen drastischen Schilderungen abschrecken! Dann klappts auch mit der semantischen Kurzschrift.
Schlusswort: Ja, das muss man mögen. Und ich mag es!!