Buchbesprechung/Rezension:

Hugo Bettauer: Die Stadt ohne Juden
Ein Roman von übermorgen

verfasst am 11.10.2012 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Bettauer, Hugo
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Aus einer Zeit, in der es alltäglich war, zum guten Ton gehörte, sich niemand etwas dabei dachte. Als die Saat, die der unsägliche Bürgermeister Lueger und all seine Genossen gesät hatten, schon weit aufgegangen war. Als der Hass auf Juden so selbstverständlich war, dass Antisemitismus nicht verpönt sondern gesellschaftlich anerkannt war. Aus  so einer Zeit stammt dieser „Utopische Roman“ von Hugo Bettauer.

Welch ein Glück, dass heutzutage, wir haben ja alle etwas aus der Geschichte gelernt, niemand mehr solche abwegigen Gedanken hegt … ausser vielleicht, ein paar der Anhänger der sog „Freiheitlichen“ in Österreich, die mehr als geduldeten Neonazis in Ungarn, die Skinheads in Deutschland, die Hooligangs in England, die …. nun gut: viel zu viele haben überhaupt nichts gelernt (wollten nicht oder sind zu dumm dafür)

In Bettauers Buch lesen wir über eine Welt, aus der mittels „Anitjudengesetz“ alle Juden vertrieben werden sollten (schlimmeres als Vertreiben konnte oder wollte Bettauer sich nicht vorstellen). Eine Vision der Zukunft, die damals in den 1920er Jahren fast logisch kommen musste, nimmt man all die Anfeindungen, Hassausbrüche, Vorurteile und Gewalttaten, denen die Juden damals ausgesetzt waren, als Vorstufe des Kommenden.

Und es hat dafür nicht einmal eines Führers bedurft, die lieben und gemütlichen WienerInnen und ÖsterreicherInnen schafften das alles auch ohne Anschluss schon ganz alleine (und 1938 am Heldenplatz, das waren dann die anderen).

Die Juden werden also vertrieben, dann sind alle „Deutschen“ unter sich. Aber was geschieht dann?

Ein Buch, das im Jahr 2012 gelesen, äußert zwiespältige Gedanken hinterlässt.

Auf der einen Seite die Satire, die von einem Mann mit jüdischen Wurzeln in einer Zeit des immer weiter aufwogenden Antisemitismus geschrieben wurde. Dieser Roman ist gleichermaßen Utopie wie Satire wie Zeitdokument. Die Menschen jener Zeit sahen es offenbar ebenso, denn „Die Stadt ohne Juden“ wurde sofort nach dem Erscheinen im Jahr 1922 zu einem gewaltigen Bestseller. Er (der Roman) zeigt vor allem, dass der fundamentale Antisemitismus, den wir heute so gerne mit der Nazizeit verknüpfen, in Wahrheit eine ureigenste Eigenschaften der Österreicher war.  So war es lange vor und leider auch nach den Nazis und dem Dritten Reich.

Dass Bettauer dabei überzeichnet, dass gehört zum Wesen der Satire. Dass dabei aber die Charakterisierungen der Antisemiten in Regierung, Parlament und Bevölkerung doch recht nahe an der Wahrheit liegen, dass darf man getrost unterstellen.

Auf der anderen Seite hat da ein Mann ein Buch geschrieben, der mit dem alltäglichen Rassenwahn in Österreich leben musste. Obwohl er sich also regelmäßiger Anfeindungen ausgesetzt sah, konnte er doch das endgültige Ergebnis dieser Massenverblendung nie voraus sehen. In seinem Buch wurden die Juden aus Österreich vertrieben und konnten doch später wieder in ihre Heimat zurückkehren. Wer aber konnte es sich damals, zu Beginn der 1920er Jahre, vorstellen, dass etwas mehr als 20 Jahre später niemand mehr zurückkehren konnte, weil alle ermordet waren? Besonders sticht dabei jener Satz hervor, in dem Bettauer einen der Charakterer sagen lässt, dass die Deutschen wohl niemals so dumm wären, die Juden aus ihrem Land zu vertreiben …

Wie gesagt: eine zwiespältige Betrachtung. Eine Art von Bewunderung darüber wie Hugo Bettauer diesen damals utopischen Roman verfassen und veröffentlichen konnte. Dem gegenüber die heute bekannte brutale Wahrheit, die diese damalige Utopie eigentloich nur mehr als harmlose Gedankenspielerei erscheinen lässt.

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