Buchbesprechung/Rezension:

Martin Suter: Die Zeit, die Zeit

verfasst am 07.10.2012 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Suter, Martin
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[Gesamt: 1 Durchschnitt: 4]

Wie ergeht es einem Mann, dessen Frau hinterrücks, direkt vor der Haustüre erschossen wurde. Sie wurde getötet und es gibt keinen erkennbaren Grund, warum es geschah. Was bewegt ihn, mehr als ein Jahr nach der Tat, die noch immer nicht geklärt wurde. Was treibt ihn an, welche Gedanken beschäftigen ihn.

So beginnt der neue Roman von Martin Suter und nach ein paar Seiten war ich mir schon fast sicher: nach den literarischen Tiefpunkten der letzten Jahre ist Martin Suter wieder auf dem Niveau von „Small World“, „Die dunkle Seite des Mondes“  & Co angelangt.

Die heimtückische Ermordung Lauras liegt ziemlich genau ein Jahr zurück, als Peter Taler über eine ganz ähnliche Tat in der Zeitung liest. Alle Gedanken, die ihn in den vergangenen Monaten beschäftigten, die von ihm Besitz ergriffen hatten, gewinnen mit einem Schlag wieder volle Aktualität.

Denn Peter Taler gibt sich zu einem guten Teil die Schuld am Tod seiner Frau. Hätte er damals nur die Türe etwas schneller geöffnet, sie wäre noch am Leben. Als die Polizei keinen Täter ausfindig machen konnte, versuchte er selbst zu erforschen was geschehen war. So wie er in der Wohnung alles belassen hat wie vor Lauras Tod, so wie seine Tage genauso ablaufen ab wie früher, so versucht er fortwährend sich ein Bild davon zu machen, was damals anders gewesen war, anders gewesen sein musste, am Tag ihrer Ermordung. Und möchte so erfahren, wer Schuld an ihrem Tod ist.

Jedes Detail rekapituliert er, vergleicht Bilder, die er von seinem Fenster aus von der Umgebung macht, mit den Bildern aus seiner Erinnerung und mit Bildern, die er auf Lauras Computer findet. Und er findet dabei mit seinem Nachbarn Knupp zusammen, der ein ähnliches Schicksal wie er selbst erleiden musste. Dessen Frau aber ist seit 20 Jahren tot, gestorben an der Malaria nach einer Safari in Afrika, und seit damals versucht er, diese alte Zeit um jeden Preis zu erhalten. Und auch er möchte mit Hilfe von Fotografien das Alte rekonstruieren.

Das seltsame Credo Knupps, dass es gar keine Zeit gäbe und man daher jeden beliebigen Zustand wieder herstellen könne, so dies nur 100%ig exakt geschähe, kann Taler zwar nicht überzeugen. Doch ein Funken Hoffnung glimmt doch ihn ihm und er hilft dem alten Mann, der seine verstorbene Frau zurück bringen will, mit Taten und mit Geld. Ganz tief in seinem Inneren hegt er die Hoffnung, dass so etwas möglich wäre und er selbst auch Laura wieder finden könne.

Mit dem Portrait des Peter Taler schreibt Suter eine zu Beginn dichte, eine einnehmende, eine überzeugende Geschichte über das Leben dieses Mannes, eine sehr beeindruckende Charakterisierung. Das Zusammentreffen von Peter Taler mit seinem Nachbarn Knupp löst dann Ereignisse aus, die man vielleicht als „Fantasy-Esoterik“ bezeichen könnte. Oder irgendwie anders, jedenfalls nicht als Erzählung mit vertrauten Inhalten und Vorgängen.

Das Projekt des alten Mannes wird immer wirrer und es hat sicherlich einiger Konzentration beim Erdenken bedurft, um dabei den Faden nicht zu verlieren oder Widersprüchliches zu Schreiben . Zeit, Vergangenheit, Gegenwart, Orte heute und gestern. Fotografien, die etwas zeigen, was nicht wahr sein kann. Alles verschwimmt zu einer sehr obskuren Masse  (Früher hätte man vielleicht unterstellt, da hätte jemand LSD eingeworfen: doch Knupp und Taler gönnen sich nur gelegentlich ein Bier oder einen Wein – an Drogen kann es also nicht liegen).

Und obwohl es so gar keinen Sinn macht und hat, was Suter da schreibt, ist es doch ungemein aufregend zu lesen. An ein Zur-Seite-Legen des Buches nicht zu denken.  Und das ist wesentlich mehr als man zuletzt von den unsäglich langweiligen Allmen-„Krimis“ sagen konnte.

„Die Zeit, Die Zeit“ hat ein Ende, das sich schon nach den ersten 50,60 Seiten abzeichnet. Es ist also nicht überraschend und doch kommt es unerwartet.

Endlich wieder ein Suter, den man lesen und empfehlen kann!




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