Buchbesprechung/Rezension:

Horst Evers: Der König von Berlin

verfasst am 05.12.2012 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Evers, Horst
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Die Ratten bestimmen die Politik der Hauptstadt. Und, werden ein paar jetzt fragen, soll das originell sein? Nein, soll es nicht, denn die Ratten um die es geht, haben tatsächlich 4 Beine. Ratten, die sich bekanntlich vermehren wie die Karnickel, eignen sich hervorragend für den Aufbau einer regelrechten Untergrund-Streitmacht. Man muss nur wissen, wie man so etwas organsiert. Auftauchen, zuschlagen, Schrecken verbreiten, untertauchen und das alles blitzartig. Wenn man das gut hinbekommt dann tanzen alle nach der eigenen Pfeife und die Ratten bestimmen die Politik der Hauptstadt.

Carsten Lanner ist im Moment arm dran.  Er ist zwar ein aufstrebender, junger Hauptkommissar, der den Sprung von einer Kleinstadt nach Berlin geschafft hat. Doch seine Leute verarschen ihn nicht nur nach Strich und Faden (Motto: „Ein Landei kommt in die große Stadt“)  sondern auch andauernd. Und Lanner hat so etwas an sich, das ihn zum einem perfekten und quasi hilflosen Opfer gegenüber allen Sticheleien und Hinterlistigkeiten macht. 

Aber egal: wenn es um seine Fälle geht, dann rückt solch Unbill in den Hintergrund und Lanner ist ganz Polizist. Guter Polizist. Einer, dem man vor ein paar Wochen einen Fall entzogen hat. Aus politischen Gründen. Also nicht richtig entzogen, aber ihm empfohlen, schnell einen Schlusstrich zu ziehen und nicht weiter herumzubohren, es könnte ihm schaden. Also hat er aufgehört daran zu arbeiten. Aber er hat nicht aufgehört zu überlegen, wie er diesen Mord – und er zweifelte keinen Moment daran, dass der alte Kammerjäger heimtückisch, aber raffiniert, vergiftet worden war – doch noch aufklären könnte.

Es war nicht irgendein Kammerjäger sondern der Chef der größten Schädlingsvernichtungsfirma von Berlin. Bestens vernetzt mit Politik und Wirtschaft und anscheinend auch im Besitz einiger brisanter Geheimnisse über alle möglichen wichtigen Leute (Womit wir ja eigentlich schon wieder bei den Ratten sind, die die Stadt regieren…aber egal).

Es erscheint da wie ein Wink des Schicksals, dass Lanner bei einem neuen Leichenfund mit einem alten Schulfeind (weil Freunde waren die beiden sicher nicht) zusammentrifft, der jetzt als Kammerjäger arbeitet. Just in der Firma des Ermordeten! Gegen angemessenes Entgelt lässt sich die alte Feindschaft zeitweilig ausblenden und Lanner verfügt ab sofort über einen Spitzel direkt vor Ort.

In der Zwischenzeit steht die ganze Stadt am Rande des Chaos. Denn die Ratten werden immer mehr, ja es kommt sogar schon zu regelrechten Überfällen von riesigen Rattengangs, die jeden Respekt und jede Scheu vor der Welt der Menschen verloren haben.

Wenn das jetzt nicht nach Horror-Schocker klingt! Ist es aber nicht (obwohl die Invasion der Vierbeiner schon etwas von Gruselkabinett hat).

Zumindest ebenso gruselig wie die Ratteninvasion ist die Schilderung der verfilzten Strukturen von Politik und Verwaltung, in denen es vorrangig um Abhängigkeiten und Gefälligkeiten, kaum jemals aber um die Bewohner der Stadt geht. Das klingt irgendwie nicht völlig erfunden, aber ganz so schlimm wie im Buch beschrieben möchte ich es den Berlinerinnen und Berlinern wirklich nicht wünschen.

Mit feiner Klinge und einem Humor, der oft ganz langsam, ganz unbemerkt hereinschleicht um dann umso heftiger anzukommen, beschreibt Horst Evers diese Stadt, das Leben in ihr und die Arbeit der Polizisten. So nebenbei und zwischendurch teilt er dabei immer wieder Seiten- (und Frontal-)hiebe aus; manche heftig, manche ein wenig verborgen, immer treffsicher.

Wenn, ja wenn es da nicht diese Helden unserer Zeit gäbe wie den Hauptkommissar Lanner, seinen pensionierten Vorgänger Rimschow oder Lanners Kollegin Markowitz….

… dann würde wahrscheinlich niemals etwas ans Licht der Öffentlichkeit gelangen und niemand würde von dem perfiden Plan erfahren, mit Hilfe der Ratten eine Millionenstadt zu beherrschen. Ein Plan, der schon seit vielen Jahrzehnten besteht und umgesetzt wird. Und jetzt steht das große Finale bevor.

Reale Ereignisse sind so fugenlos in die Handlung verwoben, dass man fast glauben könnte, alles wäre so gewesen, wie es hier steht. Die Geschichte, die erzählt wird beginnt schon kurz nach Ende des 2. Weltkrieges in den Trümmern Berlins und seitdem hat sich in dieser Stadt bekannterweise viel von weltgeschichtlicher Bedeutung zugetragen. Aber erst jetzt erfahren wir zu einigen dieser historischen Tatsachen den wahren Hintergrund!  Wurde aber auch Zeit!

Was man sich nicht erwarten solte, das ist ein vor Spannung prickelnder Krimi. Was man sich hingegen erwarten darf ist ein Roman voll von (liebenswerten bis grauslichen) Skurrilitäten, eingepackt in eine äußerst lesenswerte Berlin-Geschichte mit Ausflügen in alle möglichen Genres. Ein paar eingestreute Krimielemente und ein gepflegtes, nervenschonendes Maß an Spannung inklusive. 

Am Ende ist man in jedem Fall sehr mit der Entscheidung zufrieden, dieses Buch zu lesen.
Denn es war kurzweilig, unterhaltsam, witzig und manchmal sehr spitzzüngig. Was will am mehr!

PS: in diesem Roman habe ich eine ganze Menge von grandiosen Formulierungen gelesen, die man sich einfach für die eigene Konversation merken sollte. Genial, treffend, punktgenau. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort verwendet kann man damit wahlweise für Furore, Aufmerksamkeit oder Gelächter sorgen. Ausser vielleicht bei denen, die ihn selbst gelesen haben.




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