Buchbesprechung/Rezension:

Thomas Frank: Arme Milliardäre!
Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

verfasst am 21.12.2012 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Frank, Thomas
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Ein Rätsel, vor dem viele EuropäerInnen stehen: wir lieben die gleiche Musik, lachen über die gleichen Witze, sehen die gleichen Filme, haben die gleiche Mimik und doch unterscheiden sich US-Amerikaner von Europäern oft wie Tag und Nacht. Ich persönlich bin mir dabei nicht sicher, ob sich dieses Unverständnis in den vergangenen Jahren (na, sagen wir so ab 2000, dem Jahr in dem Bush-Junior kam)  nicht noch verstärkt hat.

Die beinahe bigott anmutende Glorifizierung des Waffenbesitzes, die Radikal-Kleriker mit ihren Kreationisten-Phantasien, die Duldung extremistischer Tendenzen unter dem Deckmantel der Rede- und Meinungsfreiheit (von Ku-Klux-Klan bis Scientology), das fanatische politische Lagerdenken, vorrangig dass bei den rechten Fundamentalisten. Nur ein paar der unverständlichen Eigenarten der USA.

Und natürlich, quasi als Fundament des Ganzen, der Brutal-Kapitalismus der Neoliberalen. Und um den geht es in diesem Buch: wie schafft(e) es eine kleine Gruppe von Superreichen mit Hilfe einer Unmenge an Lobbyisten und  willfährigen Politikern zuerst die ehemalige Wirtschaftsmacht Nr. 1 und dann fast die ganze Welt in Geiselhaft zu nehmen (und wir alle zahlen noch immer dafür und werden das noch viele Jahrzehnte lang tun müssen)?

Welche geniale Strategie liegt dahinter, wenn es diese Minderheit immer wieder schafft, die große Menge ihrer Landleute für ihre eigenen egoistischen Ziele einzuspannen. Und diese Landsleute lassen es sich immer wieder gefallen, trotz aller Pleiten und finanziellen Katastrophen, für die dieser Sturschädel-Kapitalismus verantwortlich ist.

Wie geht das? Bitte um Aufklärung!

Ausgangspunkt ist das Jahr 2008, in dem alle davor eigenführten Deregulierungen zum großen Crash führten. Ein Ereignis, das der Autor Thomas Frank – und mit ihm wahrscheinlich auch viele andere –  als ein Zeichen für das Ende einer Epoche und die Hinwendung zu neuen Werte und Idealen verstand.

Der Zusammenbruch der Wirtschaft und die reaktionäre Präsidentschaft des G.W.Bush trugen dann auch Barack Obama auf einer Woge der Begeisterung ins Weisse Haus. Doch diese Woge verebbte bald und schon wenig später tauchten die Neoliberalen, Tea-Parties, Evangelikalen und wie sie alle heißen mögen schon wieder aus ihren Löchern auf. Und schafften es, so als wäre nichts geschehen, mit den selben Thesen, die gerade eben das Land und die Welt ins Wanken gebracht hatten, wieder die Massen zu mobilisieren. Jetzt noch unterstützt von dem Obama-Hassern. Welch unheilige Allianz im gläubigsten Land des Westens!

Wirtschaftskollaps einst und jetzt

Zu Beginn stellt Thomas Frank die Zeit der Depression in den 1930er Jahren dem Crash des Jahres 2008 gegenüber. Während die Ursachen durchaus vergleichbar sind, so können die Auswirkungen unterschiedlicher nicht sein.

Die Konsequenz in den 1930ern war der “New Deal” von Präsident Roosevelt, mit dem sich die Amerikaner zu gemeinsamen Handeln zusammenfanden. Barack Obama hingegen sah sich gleich von Beginn seiner Amtszeit an den Attacken der Rechten ausgesetzt, denen es mit einer an Genialität grenzenden Kampagne gelang, in völliger Umkehrung der Fakten eine Vielzahl an Amerikanern auf ihre Seite zu ziehen. Sie erklärten die Banker, Börse-Makler und Fonds-Manager rundweg zu Opfern und holten damit die wahren Opfer der Krise ins Boot der Reichen. Und viele von denen, die gerade Geld und Eigentum verloren hatten, hatten blitzartig vergessen, wie dieses Desaster entstanden war.

Es ist von Anfang an klar, dass dieses Buch eine Abrechnung mit dem ganzen System der Neoliberalen und Spekulanten ist. Eine Lieblingslektüre für Börsenmakler und Banker zu beiden Seiten des Atlantiks wird es damit wohl nie werden, während alle, die moralfreies Gewinnmaximieren immer schon ablehnten, sich bei der Lektüre bestätigt sehen.

Für die Geschichtsbücher

Das Buch ist aber auch ein Chronologie der Ereignisse, eine Zusammenfassung der vergangen 4 Jahre , ergänzt um viele Hintergrund-Informationen, die in diesem Umfang bei uns bisher sicher nur ganz wenigen Leuten bekannt waren. Und es gehört damit im Bücherregal in die Abteilung für Zeitgeschichte.

Die Wiederwahl von Barack Obama war noch lange nicht gesichert, als dieses Buch erschien. Dass er es dennoch schaffte lässt hoffen, dass die hier beschriebene Kampagne der Rechten doch nicht so nachhaltig erfolgreich ist, wie zu befürchten war (ja selbst Mitt Romney, Kandidat der Republikaner, vermied es, sich öffentlich mit den Rechtsaussen von der Tea-Party zu verbünden). Und es zeigt, dass sich eine Mehrheit nicht von der Propaganda einer rückwärtsgerichteten Bewegung einwickeln ließ; leider aber nur was die Präsidentschaft betrifft. Denn nicht übersehen darf man, dass die Rechten im Repräsentatenhaus von den Wählerinnen erneut eine deftige Mehrheit spendiert bekamen.

Lehren daraus? (Fast) keine!

Gerade (Dezember 2012) wird in Washington wieder einmal darüber verhandelt, die Steuern der Reichen in den USA zumindest ein wenig in die Richtung des Niveaus der Steuern für die Mittelklasse anzuheben – Stichword “Fiscal Cliff”. Und die Rechten, wenn sie nicht gerade für das Recht auf Maschinengewehre in jedem US-Haushalt eintreten, sind dagegen.

Die umfassende Antwort auf die Frage, warum diese extremen Unterschiede zwischen den USA und Europa entstanden und warum die Unterschiede scheinbar immer größer werden, kann das Buch nicht liefern, aber eine Vielzahl an Indizien. 

Ein Aspekt (aus meiner Sicht) mag sein, dass die US-Politiker weitaus mehr und weitaus direkter von der Wirtschaft abhängig sind, als unsere gewählten Vertreter. Die gewaltigen Summen, die dort in die Wahlkämpfe fließen, stammen hauptsächlich von Industrie und Banken, deren führende Köpfe sich damit recht schamlos eine wohlgesonnene Politik kaufen – bei uns führt so ein Verhalten, wenigstens in der letzten Zeit, unter dem Stichwort Korruption, Bestechlichkeit, Begünstigung die Beteiligten vermehrt vor den Richter; gell Herr Uwe Scheuch – und all die anderen, für die heute noch die Unschuldsvermutung gilt!

Und einen derart ideologisch verbohrten Sender wie Fox News und Konsorten haben wir bei uns auch nicht.

Ein umfassendes Sittenbild der USA eine sehr deutliche Abrechnung mit dem derzeitigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem liefert dieses Buch jedenfalls.

Viel anders geht es in Europas Bankenwelt zwar auch nicht zu, aber wenigsten gibt es kaum Parteien, die so unverfroren Klientelpolitik betreiben wie die US-Republikaner (wäre ich Deutscher, würde ich jetzt sagen: na ja … abgesehen einmal von der FDP)

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Ein Kommentar

  • Stefan Wehmeier sagt:

    Die Irrelevanz der Moral

    “Betrachten wir uns die gegenwärtige Moral etwas genauer, so erkennen wir, dass es sich um eine doppelte oder sogar eine dreifache Moral handelt. Die in den Staatsgesetzen und in der öffentlichen Meinung verankerte Moral soll verhindern, dass der Einzelmensch in eigennütziger Weise gegen den Nutzen seiner Mitmenschen und damit gegen den Gemeinnutzen verstößt, z. B. durch Diebstahl und Betrug. Aber sie erreicht diesen Zweck nur in einem verhältnismäßig kleinen Teilbereich der menschlichen Gesellschaft, nämlich nur für die Menschengruppe der wirtschaftlich Schwachen, also der Arbeitenden. Der wirtschaftlich Starke, also der Kapitalist, hat ja die moralisch verwerflichen, d. h. durch die Gesetze verbotenen und durch die öffentliche Meinung verfemten Mittel nicht nötig zur Verwirklichung des Eigennutzes mit Schädigung der Mitmenschen und des Gemeinwohles und zwar im allergrößten und praktisch uneingeschränkten Ausmaß.
    Neben dieser offenkundig doppelten Moral gibt es aber noch eine dritte, von den wenigsten Menschen durchschaute Seite, bedingt durch das heimlich schlechte Gewissen der Vertreter und Nutznießer dieser verlogenen Moral. Hier handelt es sich freilich nicht um die Großkapitalisten, die ja ihr Gewissen, wenn sie je eines besaßen, längst abgetötet haben, sondern um die breite Schicht der bürgerlichen Bevölkerung… Sie vertreten die kapitalistisch verzerrte Moral, die ihre wirtschaftlichen Vorteile gegenüber den völlig mittellosen, ausgebeuteten, arbeitenden oder arbeitslosen Bevölkerungsschichten sichert. …Den Gegensatz zwischen Gemeinnutz und Eigennutz halten sie für eine zwar betrübliche, aber selbstverständliche und unabänderliche Tatsache. …

    …Der geschilderten, innerlich so verlogenen Moral mit all ihren, hier nur kurz angedeuteten schädlichen Auswirkungen stellen wir nun die natürliche und sinnvolle Ordnung entgegen, welche die Natürliche Wirtschaftsordnung nicht nur für die wirtschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander darstellt, sondern auch für den Aufbau der Gesellschaft und darüber hinaus jeder menschlichen Gemeinschaft nahe legt.”

    Dr. Ernst Winkler (Theorie der Natürlichen Wirtschaftsordnung, 1952)

    Wer nicht weiß, was Gerechtigkeit ist, darf auch nicht wissen, was Ungerechtigkeit ist, um eine Existenz in “dieser Welt” (zivilisatorisches Mittelalter) ertragen zu können. Zu diesem Zweck gibt es die Religion, die so erfolgreich war, dass sie die systemische Ungerechtigkeit der Erbsünde bis heute aus dem allgemeinen Begriffsvermögen der halbwegs zivilisierten Menschheit ausblenden konnte, während das Wissen seit langer Zeit zur Verfügung steht, um diese “Mutter aller Zivilisationsprobleme” endgültig zu eliminieren:

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