Buchbesprechung/Rezension:

Hugo Bettauer: Hemmungslos

verfasst am 01.01.2013 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Bettauer, Hugo
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[Gesamt: 2 Durchschnitt: 4]

Gerade war mit dem Ende des 1. Weltkrieges auch das Ende der Monarchie gekommen. Die alten Regeln, die alten Verbindungen, die alten Verhältnisse gab es nicht mehr. Und als kleiner Adeliger galt man nichts mehr, alle Privilegien und all das, worauf man seit Jahrhunderten aufbauen konnte, waren verloren.

Ein wenig Klarheit über diese verwirrenden Zeiten kann da nur einer wie Hugo Bettauer schaffen (neben eine ganzen Reihe andere Großer der österreichischen Literatur jener Zeit). Bettauers betrachtete mit scharfem Blick die Menschen und das Leben seiner Zeit und schuf Literatur, die uns über diese zerrissene  Welt berichtet. Wie eine Zeitkapsel, die uns heute ein Bild der Vergangenheit beschreibt, ist „Hemmungslos“ gleichzeitig Roman und Zeitdokument.

Koloman Freiherr von  Isbaregg ist ein Beispiel für das Schicksal von jenen, die nach dem Ende der alten Ordnung für sich keine Basis in dieser neuen Welt gefunden hatten. Vor dem Krieg ein erfolgreicher Ingenieur, dann ein treuer Offizier des Kaisers und nun ohne Beschäftigung, ohne Einkommen, ohne Perspektive. Und einer, der für sein eigens Leid die anderen, die Fremden, veranwortlich macht.

Durch Zufall entdeckt Kolo Isbaregg, wie er nun nach dem Verbot der Adelstitel heisst, sein Talent für das Verbrechen. Aus dem Ertrag seines ersten (Taschen)Diebstahls leistet er sich nicht nur eine ausgiebige Mahlzeit sondern sichert sich auch für eine gewisse Zeit wieder einen gehobenen Lebensstandard, genauso einen, wie er überzeugt ist, ihn zu verdienen –  womit er den Diebststahl für sich selbst als notwendige und damit gerechte Tat rechtfertigen kann.

Er, der stattliche Mann von adeliger Herkunft, der ehemalige Offizier der k.u.k.Armee weiß die Damen zu beeindrucken und wird zu einem umschwärmten Mittelpunkt der Gesellschaft. So sehr findet Kolo Gefallen an diesem quasi wiedergewonnenen Lebensstandard, dass er schon bald darüber nachdenkt, womit er seine rasant schwindenen Geldmittel wieder neu aufstocken kann.

Sehr gelegen kommt ihm dabei, dass ein Gast in der Pension, die Kolo nun auch selbst bewohnt, bekannterweise viele Millionen an Gewinn aus Spekulationen gezogen hatte. Ein Krisengewinnler also, einer – und das ist zu Kolos eigener Rechtfertigung wichtig – der auf Kosten andere ein gutes Leben führt. Einer, dem Kolo ohne schlechtes Gewissen alles nehmen konnte: sein Vermögen und sein Leben.

War der erste Diebstahl noch ein Zufall, eine günstige Gelegenheit, die sich ihm zufällig darbot, so geht Kolo nun nach einen sorgfältig und detailliert ausgearbeiteten Plan vor. Nach dessen Ausführung aus dem vormaligen Freiherr von Isbaregg der Mörder Isbaregg geworden war.

Zeitzeugen dieser beschriebenen Welt gibt es wohl kaum mehr. Es bleiben nur die Schriften, die damals von Literaten wie Bettauer, Werfel, Roth oder Zweig verfasst wurden.

Hugo Bettauer schrieb mit „Hemmungslos“ einen Kriminalroman und ein Sittenbild jener Zeit. Gleichzeitig hinterließ er mit diesem Roman auch ein Dokument über den Journalismus, die Politik, das Gesellschaftsleben, das Leid und Elend jener Zeit und darüber, wie die Menschen mit Sensationen und Verbrechen umgingen.

Und wie so oft, erweist sich Bettauer auch in diesem Roman als ein Prophet, der kommende Ereignisse beschreibt, von denen wir heute wissen, die aber damals, als dieses Buch entstand, noch in ferner Zulunft lagen.




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