Buchbesprechung/Rezension:

Ken Follett: Winter der Welt
Die Jahrhundert-Saga

verfasst am 10.01.2013 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Follett, Ken
Genre:
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Die Fortsetzung der Familiensaga aus dem und über das 20. Jahrhundert beginnt im Februar 1933. Es ist das Jahr, in dem die Nazis die Herrschaft in Deutschland endgültig an sich rissen, das Monat, in dem der Brand des Reichtages in Berlin der höchst willkommene Vorwand für Hitler und seine Schergen war, ihre Gegner zu vertreiben, einzukerkern, zu ermorden .

Vor diesem Hintergrund setzt Ken Follett die Geschichte der Familie von Ulrich fort. Walter von Ulrich und seine Frau Maud führen einen aussichtlosen Kampf gegen die braune Diktatur in Deutschland. Schon bald wird die Wahl vom März 1933 endgültig die Machtergreifung der Nazis besiegeln.

Walter von Ulrich ist Reichstagabgeordneter für die SPD; seine Frau Maud schreibt für eine demokratische Zeitung. Beide gehören zu der Minderheit der in Deutschland lebenden Menschen, die es noch wagen, gegen das drohende Unheil die Stimme zu erheben. Doch rundherum, ja selbst in ihrer eigenen Familie, gewinnen die Braunhemden immer mehr Unterstützung und der Widerstand stellt sich bald aus aussichtslos heraus. Und wird mit Gewalt unterdrückt, Nazis und die Behörden verschmelzen rasch zu einem einheitlichen Unterdrückungsapparat.

Zwischen den Ereignissen von Band 1 (Sturz der Titanen) und diesem 2. Teil klafft eine Lücke von 13 Jahren. Obwohl die Geschichte über das Leben der Hauptdarsteller aus Band 1 nun weitergeht, hat sich in der Zwischenzeit viel verändert, sodass man nicht direkt von einer Fortsetzung sprechen kann (andererseits: hat man im Herbst 2010 den 1. Band gelesen, werden jetzt wahrscheinlich auch nicht mehr allzu viele Details daraus erinnerlich sein…). Dieser 2. Band kann aber auch ganz ohne „Vorkenntnisse“ gelesen werden.

Stärke und Schwäche

Eine Stärke dieses Romanes ist es, die Geschehnisse der 1930er- und 1940er-Jahre gegenüber zu stellen. So macht Ken Follett es allen bewusst, wie verworren, brutal und scheinbar hoffnungslos diese Zeit an vielen Orten der Welt war.

In Deutschland sind die Nazis schon an der Macht und beghinnen ihr Terrorregime. Mussolini in Italien träumt von der Auferstehung des Römischen Reiches. Franco putscht sich in Spanien an die Regierung. Stalin lässt Millionen ermorden. In England werden die Faschisten stärker, ja sogar Konig Edward VIII sympathisiert mit ihnen und mit Hitler. In den USA sind Millionen arbeitslos und Präsident Roosevelt muss um die Umsetzung des New Deal kämpfen. Japans Ziel ist es, ein Imperium im Pazifischen Raum zu erreichten. Deutsche Armeen überschwemmen den Kontinent. Mit dem Manhattan-Projekt entsteht die fürchterlichste aller Waffen.

Und das sind nur die wichtigsten Beispiele aus jener Zeit, jene eben, die im Buch erwähnt werden.

Diese Stärke ist aber gleichzeitig auch die Ursache für seine Schwäche: so viel will/muss/soll erzählt werden, dass viele Ereignisse nur gestreift werden können, nur ein paar wenige vertieft.  So viele Protagonisten haben einen Auftritt, dass man zu einzelnen Personen der Handlung kaum einen Bezug herstellen kann. Und dann passiert hin und wieder das, was ich bei einem Buch immer ganz fürchterlich finde: man muss nachsehen, wer denn die Person ist, über die gerade geschrieben wird (das Personenverzeichnis am Anfang hat tatsächlich seine Berechtigung).

Eine weitere Schwäche dieses Romanes ist der Stil: zu Beginn holprig, fast hölzern kann man es nennen, wie sich ein Satz an den nächsten reiht, anstatt in den folgenden überzugehen; die Sprache ist recht simpel, die Charaktere zwar detailliert aber recht konturlos beschrieben. Schwer, da in einen Lesefluss zu kommen (dabei war bislang gerade das, was Folletts Romane auszeichnete). Was dazu führte, dass ich immer nach ein paar Kapiteln eine Pause machte, um zwischendurch ein anderes Buch zu lesen.

Erst nach rund einem Drittel des Buches (das mehr als 1.000 Seiten Umfang hat) kommen ein wenig Schwung und Atmosphäre in die Handlung. Die Kapitel über die Menschen bleiben aber recht unpersönlich, nur wenn es um die Schilderung von Kriegsereignissen geht, läuft Follett zur Höchstform auf.

Historische Fakten

Mit dem Zeitrahmen 1933-1946 hat sich Follett 14 Jahre vorgenommen, die mit Sicherheit mehr Veränderungen, Katastrophen und Gewalt mit sich brachten als jeder andere gleich lange Zeitraum in der Geschichte.

Akribisch recheriert mischen sich historische Fakten mit literarischen Ergänzungen. Oft sehr klischeehaft:  Extremisten am linken und rechten Rand des Spektrums erfüllen brav ihre Rolle als Bösewichte (die die Weltherrschaft anstreben und auf dem Weg dorthin alles und jeden hinmetzeln). Alles dazwischen rettet die Welt; aber dafür müsste man kein neues Buch schreiben.

Wobei Gute und Böse in allen Ländern zu finden sind, Follett hat sichtlich die Absicht, DIE Nazis und DIE Deutschen nicht automatisch gleichzusetzen. So wie es dann in Buch steht, wird im Bestreben auf Ausgewogenheit die Situation in Deutschland vielleicht sogar zu positiv dargestellt.

Die Wege der Protagonisten verlaufen über den ganzen Kontinent Europa und über den Atlantik bis in den Pazifik. Sie kreuzen einander, verlaufen für einen kurzen Abschnitt gemeinsam, werden wieder voneinander getrennt. Das lässt ein wenig die Orientierungslosigkeit der Menschen in jenen Jahren erkennen.

Ré­su­mé

Unbestreitbar ist, dass es Ken Follett durch seine Bekanntheit und mit seiner weltweiten Leserschaft in der Lage ist, historische Fakten auch zu jenen Menschen zu bringen, die alles das noch nicht kannten oder es schon wieder vergessen haben oder die sich bislang einfach nie dafür interessierten.

Damit bringt er vielleicht ein wenig Bewusstsein für die Leiden des Krieges und die Folgen der Verführung durch skrupellose Demagogen in unsere Köpfe (zurück). Und das kann man ihm gar nicht hoch genug anrechnen!

Alles zusammen wirkt der Stil von  „Winter der Welt“ weniger wie der eines Romanes, als vielmehr wie der einer Chronik. Zu Beginn oft seltsam emotionslos, lange kommt kaum Atmosphäre auf. Erst die zweite Hälfte des Buches nähert sich dann der Erwartung, die man an einen guten Ken Follett-Roman hat.

Habe mir besseres erwartet („Mehr erwartet“ wäre angesichts der Informationslawine im Buch ganz eindeutig die falsche Formulierung) und bin ein wenig enttäuscht. Wegen des über weite Strecken doch recht mühevollen Lesens zählt  „Winter der Welt“ für mich zu Folletts weniger beeindruckenden Büchern.

Trotzdem ist der noch geplante Band 3 der Saga Pflicht, nicht weil Band 2 so toll war, sondern weil ich auf Besserung hoffe und gespannt bin, was Follett über den Kalten Krieg schreiben wird. Aber darauf werden wir wahrscheinlich bis zum Jahr 2014 warten müssen.




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