Buchbesprechung/Rezension:

Arne Dahl: Zorn

verfasst am 16.03.2013 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Dahl, Arne
Genre:
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Hinweis für zart Besaitete: sobald man das erste Kapitel überstanden hat, ist das Schlimmste schon vorbei. Na ja; fast! Ab dann kann man lesen, ohne weitere Über-Grauslichkeiten befürchten zu müssen – aber ein Kindergeburtstag wird trotzdem nicht daraus. Also los: die Nerven geölt (damit sie nicht reissen, bei der kommenden  Spannung) und ab gehts ans Lesen.

Und noch ein Hinweis vorab: weil es ein Thriller von Arne Dahl ist, sollte man mit dem Lesen vor dem Wochenende, am Beginn des Urlaubes, o.a.ä.T.*  beginnen. Damit nicht irgendeine Verpflichtung stört oder man abgelenkt wird,  solange man nicht fertig gelesen hat.

Aber jetzt …

Noch ist es nicht klar, ob das überhaupt ein Fall für die Polizei ist: der Mann wurde erhängt aufgefunden. Selbstmord wäre die prompte Diagnose, gäbe es da nicht ein paar Ungereimtheiten; und gäbe es da nicht die Tatsache, dass der Mann für ein wichtiges und geheimes Projekt der NATO arbeitete: der plastische Chirurg sollte Mittel und Wege finden, Terroristen aufzuspüren, die sich ihr Gesicht hatten umoperieren lassen.

In der Opcop-Zentrale in Den Haag versuchen Paul Hjelm und seine bei der Europol angesiedelte internationale Truppe so schnell wie möglich zu einem ersten Ergebnis zu kommen. Denn wenn sie die Hypothese „Mord“ nicht rasch mit Fakten untermauern können, sperren die Geheimdienste den Zugang zu den Informationen und sind sie den Fall gleich wieder los.

Im ersten Drittel des Buches ging es mir ähnlich, wie den Leuten in Hjems Team: ich hatte keinen Plan. Das liegt einerseits an der (Arne-Dahl-typischen) großen Anzahl von Personen, andererseits auch daran, dass mir die Mischung aus Andeutungen, Einschüben und Handlungswechseln ein wenig zu viel war. Da hat sich der Herr Dahl, selbst für seine Verhältnisse, ziemlich ausgelassen.

Es gibt da noch eine Schießerei in Stockholm, bei der in einem Beisl ** 5 Leichen zurückbleiben und einen Doppelmord an einer einzigen Person(!)  auf einer Insel vor der Toskana. Ein Waffenhändler und ein Europapolitiker sind unter den Toten.

Während Hjelm und Söderberg an Gemeinsamkeiten glauben, finden die anderen im Team vorerst nichts, was diese These unterstützt. Denn was soll einen Chirurgen in Belgien, einen Waffenhändler in Stockholm und einen Politiker in Italien verbinden? Viele Details aber zu wenige Erkenntnisse, um aus den Spuren an den Tatorten konkrete Hinweise auf einen Täter zu finden.

Und dann das: es werden immer mehr Morde entdeckt, die in den zurückliegenden Jahren quer über den Erball verteilt begangen wurden. Sie alle haben etwas gemeinsam mit der Ermordung des EU-Politikers, aber nichts mit den anderen beiden.

Wie kann ein einziger Täter das alles zustande gebracht haben? Es scheint unwahrscheinlich aber so vieles deutet auf einen gemeinsamen Brennpunkt; zwei Mordserien, die einander in noch ungeklärter Weise überschneiden. Die Hinweise, die auftauchen führen in die Vergangenheit, in die Zeit des Kalten Krieges und noch weiter zurück.

Anschnallen für das Finale

Dann beginnt es sich auszuzahlen, all diese Informationen, Namen, Orte gelesen zu haben. Langsam wird klarer, worum es geht, langsam versteht man, wer wofür verantwortlich ist, wie das alles zusammenspielt. Aus der Geduld beim Lesen des ersten Buch-Drittels wird Atemlosigkeit beim Rest. Jetzt zahlt es sich aus, Getränke und Snacks in Griffweite platziert zu haben; denn aufstehen wird man jetzt nicht mehr wollen, jetzt wo es an allen Ecken so richtig losgeht .

Bei Arne Dahl sind auch die Polizistinnen nicht vor lebensbedrohlichen Situationen gefeit (das hat in früheren Bücher schon einigen der Hauptpersonen das Leben gekostet). Auch diesmal ist es nicht anders und es stellt sich nicht nur die Frage, wie der Fall geklärt werden, sondern auch wer dieses Aufklärung überleben wird.

„Zorn“ ist für meinen Geschmack nicht das allerbeste von Dahls bisherigen Büchern. Aber – und beinahe schäme ich mich für diese sehr unoriginelle Formulierung – selbst ein Nicht-Ganz-So-Guter Dahl-Thriller ist noch immer besser als die große Mehrheit der Neuerscheiningen in diesem Genre. Und: die zweite Hälfte des Buches ist wahrhaft Thriller-Spitzenklasse. Die Titel der ersten 5 Abschnitte des Buches beschreiben die ansteigende Spannung ganz genau: von 1-Flaute bis 5-Orkan.

Ein kleiner Blick auf die Realitätsbezogenheit der Handlung: vor ein paar Jahren hätte man das, was Arne Dahl hier geschrieben hat, noch als pure Fantasy bezeichnet. Aber wenn man in den vergangenen Jahren Zeitungen, und Nachrichten verfolgt hat, dann weiß man, dass nichts unmöglich ist.  Zumindest wenn es um menschliche Abgründe geht. Wer will also behaupten, so etwas wie in „Zorn“ beschrieben, könnte niemals geschehen?

Womit das Wochenende (die Urlaubstage, je nachdem – siehe ganz oben) wie im Fluge vergangen und auch „Zorn“ wieder eine absolute Empfehlung für alle Dahl- und alle Thriller-Fans ist.

PS: nett fand ich den kurzen Verweis zu Deon Meyer. Kleine Gefälligkeit unter Bestseller-Autoren, gewissermaßen.

* oder an ähnlichen Tagen
** „Kneipe“, wie schon Peter Alexander einst sang




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