Buchbesprechung/Rezension:

Wolfgang Korn: Mesopotamien
Wiege der Zivilisation und aktueller Krisenherd

verfasst am 18.03.2013 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Korn, Wolfgang
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Mesopotamien, das Zweistromland mit dem Irak im Zentrum und Iran, Syrien und der Türkei angrenzend an den Randzonen ist seit jeher eine Region im Umbruch. Vor Jahrtausenden entwickelten sich hier viele der Wurzeln unserer heutigen Zivilisation, einiges davon wirkt auch in der Gegenwart nach. Heute ist es eine Weltregion, die für viele Menschen der Gegenwart nur noch ein Synonym für Extremismus, Terrorismus, Tyrannei und Krieg ist.

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 und Dank der darauf folgenden Kriegskampagne des ehemaligen US-Präsidenten Bush jr. – und der darauffolgenden Spirale von Gewalt und Gegengewalt – ist diese uralte Geburtsstätte von Kultur, Schrift und Gesetzen in den Köpfen der Menschen im Westen ist nichts weiter als als eine Brutstätte der Gewalt und der Gesetzlosigkeit geworden. Das lässt sich nur schwer wieder rückgängig machen, weil ja tatsächlich auch terroristische Bedrohungen bis vor unsere Haustüre real sind.

Wer kennt dagegen, nein wer interessiert sich heute überhaupt für die Geschichte des Landes – wenn man von einer Handvoll Archäologen absieht. Und vor allem: wer bedenkt, dass der Westen einen gehörigen Anteil daran hat, dass die heutige katastrophale politische, humanitäre und religiöse Lage dort überhaupt entstehen konnte!

Man kann ganze Bibliotheken füllen mit all den Informationen, mit all dem angesammelten Wissen über die zig-Jahrtausende – die ältesten Funde lassen sich bis ins Jahr 15.000 v.Chr. (!) zurück datieren – die das Zweistromland an Geschichte vorzuweisen hat. Es ist so viel, dass praktisch niemand in der Lage ist, sich einen umfassenden Überblick über den Zeitraum vom Beginn der Zivilisation bis zum heutigen Tag zu verschaffen.

Genau hier kommt das Buch „Mesopotamien“ ins Spiel.

In großen Zügen beschreibt Wolfgang Korn den Weg der Zivilisationen auf Basis der neuesten archäologischen Erkenntnisse. Erzählt, wie das Zweistromland jahrtausendelang immer neuen Eroberern ausgesetzt war, wie ein Volk das andere in der Vormachtstellung über dieses ehemals fruchtbare Land ablöste. Betrachtet man das Alte Testament als ein Buch, das in einigen Teilen auf geschichtlichen Fakten aufbaut, dann findet man darin sehr viele Berichte, die später durch archäologische Funde belegt wurden.

Sumerer, Assyrer, Akkader, Babylonier. Perser und Griechen. Araber und Türken. Und dann die Briten und Franzosen, Deutsche und Amerikaner. Alle betrachteten das Land als Quelle für Reichtum,  früher als Kornkammer, seit dem 20. Jahrhundert als Erdölgebiet. Allen gemeinsam war und ist die rücksichtslose Ausbeutung der Ressourcen.

Die Bewohner des Landes sind seit jeher immer wieder neuen Bedrohungen ausgesetzt und wenn eine solche nicht von aussen kommt, dann gibt es auch im Inneren genügend Konfliktpotential. Blutige Auseinandersetzungen aus religiösen Anlässen; oder Diktatoren, die die Menschen meist in mittelalterlichen Gesellschaftstukturen gefangen halten; Streit um Wasser und Bodenschätze; man könnte endlos lange Listen dazu verfassen.

Wolfgang Korn spannt einen Bogen über die Jahrtausende und verschafft damit einen sehr klaren, wenn auch naturgemäß sehr groben, Blick über die großen Zusammenhänge, jeder Epoche widmet er ein eigenes Kapitel. Die Informationen sind mit (teilweise historischen) Fotografien und Karten ergänzt und zu einzelnen, herausragenden Themen der Zeit gibt es detaillierte Erläuterungen. Und wer will, kann sich mit Hilfe der langen Literaturliste, die sich im Anhang befindet, an detaillierteres Wissen heranarbeiten.

Tatsache ist, dass man schon mit der Lektüre dieses Buches alleine seinen Horizont, sein Wissen um diesen Brennpunkt der Weltgeschichte enorm ausbauen kann. Altes Schulwissen und Kenntnisse aus den Nachrichten auffrischen, erweitern, vertiefen und vielleicht auch in den richtigen Kontext stellen. „Mesopotamien“ bietet dabei die Chance, die nächsten Informationen aus dem Irak (oder einem der anderen Länder) besser einordnen zu können.

Im Kapitel über die letzten Jahrzehnte bietet Wolfgang Korn ein paar Ansätze zur Erklärung der chaotischen Zustände (sowohl innerhalb als auch im Verhältnis zum Westen), aber das Patentrezept hat er natürlich auch nicht zur Hand. Klar identifiziert er dabei die Handlungen des Westens (die USA unter Reagan, Bush sen. und Bush jr., aber auch der gesamte Westen) als die wesentlichen Ursachen für die heute so prekäre Lage der ganzen Region. Und jedes Mal, wenn dort wieder eine Bombe explodiert, ein neuer Konflikt ausbricht, sollten wir im Westen uns selbst – bzw. unseren Vorfahren – einen gehörigen Teil an Mitschuld aufladen.

Was mich interessieren würde:  in 10 Jahren eine Neuauflage dieses Buches, mit dann aktualisiertem Inhalt – über die Gegenwart und über das Wissen um die Vergangenheit. Und zu erfahren, ob endlich jemand ein Rezept gefunden hat, das der Region Frieden bringt.

Was mir besonders gefallen hat: auf wenigen Seiten (das Buch hat 170 Seiten) bekommt man eine sehr gut überschaubare Zusammenfassung von 15. Jahrtausenden. Gerade die richtige Dosis an Fakten um das Thema überblicken zu können.

PS – was mir auch sehr gut gefallen hat: endlich ein Buch über den Nahen Osten, das nicht aus der Feder des selbsternannten und unerträglichen Nahost-Verstehers Peter Scholl-Latour stammt.




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