Buchbesprechung/Rezension:

Hugo Bettauer: Die freudlose Gasse

verfasst am 08.07.2013 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Bettauer, Hugo
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Ein Kriminalroman, der sich tief in jene Zeit der Gegensätze, der bitteren Armut  und des unglaublichen Reichtums vergräbt. Ein Gesellschaftroman, der die Zustände in Wien der 1920er Jahre im Rahmen eines Kriminalfalles beschreibt. Hugo Bettauer schrieb zwei Bücher in einem; in beiden ein ungeschminktes Bild der Zeit.

Die Donaumonarchie erst seit ein paar Jahren Vergangenheit. Der Weltkrieg hinterließ gerade tiefe Kerben in der Seele des Landes. Bitterarme Menschen, denen Inflation und Spekulation jeden Tag mehr von ihrem kärglichen Einkommen wegschnappen leben Tür an Tür mit denen, die entweder mehr Glück oder mehr Skupellosigkeit besessen haben und ihr ein Leben in unerschöpflichem Reichtum genießen.

Ein Mord an der jungen schönen Frau eines Rechtsanwaltes erschüttert die Stadt und kann monatelang nicht aufgeklärt werden. Sicher scheint nur, dass ein naher Bekannter der jungen Frau, ihr Liebhaber wie es scheint, sie nach einer Schäferstunde ermordet und beraubt hatte. In einem angemieteten Zimmer fand das heimliche Treffen statt, der Täter konnte unerkannt entkommen.

Das Haus, in dem die Tat geschah, steht in der Melchiorstrasse, dort, wo die Extreme der Zeit ganz augenscheinlich und direkt aufeinander prallen. Familien, die nicht wissen, wo sie das Essen für den kommenden Tag herbekommen sollen. Zwielichtige Gestalten, die die Not der Menschen bedenkenlos ausnützen. Junge Frauen, die keinen anderen Weg mehr sehen als den, ihren Körper an reiche Männer zu verkaufen um für sich und ihre Angehörigen das Überleben zu sichern. Reiche Männer, die sich mit ihrem Geld kaufen könne, was immer sie wollen.

Und ein Mörder, der um jeden Preis aus der Masse der Namenlosen in die Kaste der Mächtigen und Reichen emporsteigen steigen. Die Polizei und der Reporter haben einen Verdacht, finden jedoch keinen einzigen stichhaltigen Beweis.

Wenn man weiß, dass Hugo Bettauer, wenn auch ein wenig überzeichnet, die Zustände im Wien der 1920er mehr als Reporter denn als Schriftsteller beschrieb, dann wird man von dem was er schreibt und beschreibt tatsächlich erschüttert sein. Keine 100 Jahre ist es her, dass sich solches bei uns zugetragen hat. Die Gesellschaft war derart auseinander gedriftet, dass es zwischen den Regierenden und, den Einflussreichen einerseits und der Mehrheit der Bevölkerung andererseits fast keine Gemeinsamkeit mehr gab.  Kein Wunder, dass dies der Nährboden für den Extremismus und den unversöhnlichen Hass wurde, die in den kommenden Jahrzehnten das Land im Griff hielten.

Solche Unterschiede, eine solche tiefe  Spaltung gibt es heute nicht mehr. Doch ein Buch wie „Die freudlose Gasse“ hält uns auch im 21. Jahrhundert vor Augen, wie weit es kommen kann, wenn eine kleine Gruppe versucht, die vielen anderen auszubeuten. Die unterschiedlichsten Bespiele dafür finden sich auch im Jahr 2013 rings um den Erdball. Und wir müssen dafür nicht einmal unser Land verlassen.

Fazit: Als Kriminalroman reichlich spannend, als Zeitdokument unverzichtbar.

G.W. Pabst verfilmte „Die freudlose Gasse“ im Jahr 1925 mit Greta Garbo, Asta Nielsen und Werner Kraus in den Hauptrollen.




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