Buchbesprechung/Rezension:

Edith Wharton: Dämmerschlaf

verfasst am 12.09.2013 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Wharton, Edith
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1927: noch zwei Jahre bis zum Schwarzen Freitag. Die New Yorker Gesellschaft hat sich schon längst ihre ganze eigene Welt gebaut. Das Leben der „Oberen Zehntausend“ ist zwar schon lange in ewig gleichen Vergnügungen erstarrt, doch innerhalb dieser Welt merkt man es nicht. Genauso wie man nicht merkt, was ausserhalb vor sich geht.

Pauline Manford ist quasi das Modell der Frau, das genau in diese Gesellschaft hineinpasst: stets beschäftigt, ohne tatsächlich etwas zu tun; immer gehetzt, ohne mit der Tätigkeit oder dem Wort namens Arbeit auch nur je anzustreifen. Zwischen Vernissagen und Dinner-Partys, Friseur- und Kosmetikterminen findet ihre Sekretärin im Terminkalender zwar hin und wieder auch ein wenig Zeit (15 Minuten müssen da zuweilen schon ausreichen) für familiäres, dringende Änderungen in eben jenem Kalender können jedoch das ganze kunstvoll gebaute Gebilde eines Tagesablaufes zum Einsturz bringen.

Nun, mit einem Wort: als Frau in der besseren Gesellschaft hat man es nicht leicht und die Wahrheit ist, dass sich niemand auch nur im Entferntesten vorstellen kann, wie schwierig und verantwortungsvoll dieses Leben tatsächlich ist.

Noch komplizierter kann es nur werden, wenn man in Gefahr läuft, sein Ansehen, seinen Ruf, seine Reputation zu verlieren. Alles könnte mit einer kurzen Meldung in der Presse zunichte gemacht werden, Pauline selbst, ihre Familie und wer weiß was alles noch in Ungnade fallen.

Und tatsächlich geschieht das Undenkbare: Pauline ist gerade eine der angesagten Gastgeberinnen der Saison, da drohen dunkle Schatten auf sie zu fallen. Ist der Guru/Prophet/Heiler (bei dessen Namen „Mahatma“ man vielleicht gleich an Ghandi denkt, sich das aber als Irrtum erweist) etwa nur ein Betrüger, der sich mit ihrer Hilfe in die besseren Gesellschaft einschleichen möchte? Pauline kann sich zunächst nicht recht entscheiden, was die größere Katastrophe ist: die Gerüchte über den Guru oder die drohenden Verwicklungen in ihrer Familie.

Auf wen Edith Wharton einmal einen kritischen Blick geworfen hat, die/der ist vor Spott, Satire und Verachtung nicht mehr sicher. So ergeht es in diesem Roman einer ganzen Gruppe der Gesellschaft der 1920er Jahre. Die Frauen kommen nicht gut weg; jene, die sich niemals um etwas kümmern mussten, die im Schutz und unter dem Dach eines vermögenden Mannes schalten und walten konnten, ohne sich jemals um irgendetwas Existenzielles sorgen zu müssen. Sie bewohnen eine Insel inmitten der realen Welt, weit weg sind die Probleme, die die große Mherheit der Menschen tagtäglich zu lösen haben.

Pauline ist in diesem Buch die Galeonsfigur dieser aus Whartons Sicht verachtenswerten Spezies, doch sie ist nicht alleine. Nur ihre Tochter Nona, die sich mehr um die Menschen als um die Termine mit ihnen kümmert, kommt besser weg. Die Frauen brauchen ihre Männer um den Lebensstil weiterhin zelebrieren zu können, setzen sie aber gleichzeitig auch unter Druck, ihren gesellschaftlichen Maßstäben zu genügen. Und die Männer brauchen ihre Frauen als dekoratives Aushängeschild ihres eigenen gesellschaftlichen Ranges. Dass daraus eine durchaus explosive Mischung mit Potential für alle möglichen Ver(w)irrungen entstehen kann, liegt auf der Hand.

Es ist amüsant und bösartig zugleich. Mir fehlt natürlich die Möglichkeit zu bewerten, ob Edith Wharton stark überzeichnet oder tatsächlich aus der Wirklichkeit erzählt. Unbestreitbar ist jedenfalls, dass die Jahre zwischen dem Ende des 1. Weltkrieges und dem Schwarzen Freitag wie ein Taumel gewesen sind. Nicht nur in New York oder den USA sondern auch in Europa. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Geschichten, die Edith Wharton erzahlt, zumindest recht wahrscheinlich zu sein.

Es ist ein Vergnügen, sich in diese alte Welt hineinzulesen; und es ist ein Vergnügen sich dabei hier und dort Ähnlichkeiten aus unsere Gegenwart dazu zu denken – und davon gibt es eine ganze Menge.




Ein Kommentar

  • nw2013 sagt:

    Mir hat das Buch auch gefallen. Meine Einschätzung kann, wer mag, hier nachlesen:
    http://notizhefte.wordpress.com/2013/11/13/edith-wharton-dammerschlaf/

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