Nathanael West: Der Tag der Heuschrecke
Autorin/Autor: West, Nathanael
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
Heutzutage ist „Hollywood“ ja mehr ein Prädikat, das ganz allgemein für Orte verwendet wird, die Filme produzieren und an denen sich Filmstars und – sternchen tummeln. Solche Orte gibt es in der Gegenwart deshalb verstreut über den ganzen Globus; ein Land, das sich etwas auf seine Filmindustrie einbildet, das schafft sich auch sein eigenes Hollywood. Damals aber, in den 1930ern, gab es nur einen Ort, der sich so nennen konnte. Damals war ganz klar, wo Glanz und Glamour hingehören: Nach Hollywood in Kalifornien.
Hollywood, damals wie heute: wenige stehen im grellen Licht der Scheinwerfer, viele tummeln sich rundherum; von ihnen erkennt man nur die Umrisse, sie sind austauschbar, kaum jemand schafft es in den inneren Kreis. Hier leben alle, die mit Träuem von einem Leben in Ruhm und Reichtum hierher kamen, hier leben diejenigen, von denen West Roman handelt.
Menschen, die vieles von dieser Welt am Rande in sich vereinen. Da ist Harry Greener, der Clown. Aus einem kurzen Moment im Rampenlicht wurde eine vergebliche Suche nach Erfolg und Aufmerksamkeit. Faye, seine erst 17-jährige Tochter, die vom Beruf der Schauspielerin träumt. Sie umgibt eine Aura der Verlockung, die die Männer in ihrer Nähe im Bruchteil einer Sekunde für sie einnimmt. (wie es schon Marlene Dietrich so passend sang: „…Männer umschwirren mich, wie Motten das Licht…“)
Tod Hackett, der Maler von Filmdekorationen, zieht nur wegen Faye in die Pension, die sie und ihr Vater bewohnen. Als er Harry, ganz anders als der das ansonsten gewohnt ist, ohne Spott und Hohn begegnet, lädt der ihn ein, in seine Pension zu ziehen, dort wäre es günstiger. Tod kommt, mehr aus Höflichkeit denn aus Interesse mit. Als er Faye dort erblickt, ist sein Entschluss zu bleiben schnell gefasst.
In das Haus von Homer Simpson (der nicht einmal ansatzweise ein Vorbild für die gleichnamige Comicfigur ist) gerät Harry als Hausierer. Da ihn als Clown niemand engagieren will, verkauft er selbst zusammengemischte Tinkturen. Seine Verkaufsmasche gerät dabei leicht ins tragische, komische, dramatische.
Als er das Haus von Homer betritt bleibt Faye vor der Türe, in Wartestellung um später ihre Rolle in der Verkaufsvorstellung zu spielen. Homer jedoch, der sonst jeden Kontakt meidet, ist verzaubert von Faye, sodass das Schauspiel, dass Vater und Tochter aufführen völlig überflüssig ist. Falls es überhaupt ein Schauspiel ist: denn Harry, der zur Förderung des Umsatzes gerne einen Schwächeanfall simuliert, weswegen ihm seinen Tochter dann erschrocken zur Hilfe eilt, und die Kunden dann schon aus Mitleid kaufen, ist wirklich schon dem Tode nahe.
Was oberflächlich betrachtet zunächst als banale Lebensgeschichten durchschnittlicher Menschen darstellt, erweist sich schon bald als ein äußerst pointierte Beschreibung.
Den Text zu charakterisieren fällt dann aber trotzdem nicht leicht:
Wir lesen vom Leben derer, die es nicht geschafft haben. Wo auch immer sie herkamen, was auch immer sie erhofften, wovon immer sie träumten: erreicht haben das alles nur andere. Man kann wohl annehmen, dass damals (1939, als das Buch erschien) wie heute das Verhältnis Gewinner zu Verlierern ähnlich ist. Aus der Masse der vielen, die es ins Rampenlicht schaffen wollen, schaffen es nur ganz wenige dorthin.
Nathaniel West konstruiert daraus einen Roman, der zwischen traurig und surreal, poetisch und befremdlich schwankt. Da es keine Handlung, keinen Plot, im eigentlichen Sinn gibt, verwirren die Szenenschnitte zuweilen, bedarf es gelegentlich des Lesens einiger Zeilen um den Inhalt einzuordnen.
Klar sichtbar jedoch wird der Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit rund um die Traumwelt Hollywood.
Dies ist Nathaniel Wests vierter und zugleich letzter Roman. Ein Jahr nach der Veröffentlichung starb er im Jahr 1940, erst 36 Jahre alt, gemeinsam mit seiner Ehefrau bei einem Autounfall. Er war, wie man berichtet, auf dem Weg zum Begräbnis seines Freundes F. Scott Fitzgerald.