Friedrich Ani: M
Ein Tabor Süden Roman
Autorin/Autor: Ani, Friedrich
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
Alle paar Monate kommt mir das Wort „Vermissung“ unter (zwischendurch: niemals!). Das ist immer dann, wenn es wieder Zeit geworden ist, einen Krimi von Friedrich Ani zu lesen, einen, in dem Tabor Süden auf der Suche nach Vermissten ist.
Der verschwundene Mann heisst Siegfried Denning und Mia Bischof brauchte einige Tage Zeit um sich zu entscheiden, ob sie überhaupt nach ihm suchen lassen möchte. Nun, da sie sich dazu entschlossen hat, sucht sie das Detektivbüro Liebergesell auf, um sich dort Hilfe zu holen.
Man kann es ihr dabei nicht verübeln, dass sie schon wenige Sekunden nach dem Eintreten wieder umkehren möchte: denn da sitzen 3 Menschen, betrachten sie stumm, neugierig, scheinbar desinteressiert, wirken fast abweisend und bieten insgesamt ein recht gewöhnungsbedürftiges Bild.
Einer dieser 3 ist Tabor Süden und der überzeugt die verunsicherte Frau mit nur einem einzigen kurzen Satz zu bleiben und ihre Geschichte zu erzählen. Denn, wie es so seine Art ist, verspricht er, ohne auch nur irgendetwas von der Angelegenheit zu wissen: „.. ich werde ihren Freund finden“.
Der Roman beginnt somit, man könnte vielleicht sagen, ein wenig obskur, undurchsichtig. Friedrich Ani beschreibt zu Anfang eine Szene im Detektivbüro, bei der wohl die meisten Hilfe Suchenden umgekehrt wären, mit einem Gefühl zwischen Verunsicherung, Verwunderung und Befremden. Jedenfalls aber nicht mit dem Gefühl von Zuversicht und Geborgenheit geblieben. Umgekehrt, auch das muss erwähnt werden, hinterlässt aber auch die neue Klientin ein recht undurchsichtiges, rätselhaftes Bild bei Süden und seinen KollegInnen.
Der Auftritt von Mia Bischof im Detektivbüro ist der Auftakt zu Ereignissen, die auch für Süden und seine Kolleginnen höchste Gefahr bedeuten. Spuren und Kontakte in die rechtsradikale Szene werden schnell sichtbar, doch Polizei und Behörden mauern bei Nachfragen. Ist einer der Beteiligten ein Spitzel? Ermittelt der Verfassungsschutz genau dort, wo auch Tabor Süden ermittelt? Wer gehört zur Szene und wer wurde dort nur eingeschleust?
Niemand scheint etwas von rechtsextremen Aktivitäten wissen zu wollen, doch es geschieht alles vor der Nase der Detektive und der Polizei.
Süden und Kolleginnen geraten, ohne es zu wissen, in Kreise, denen man kaum entkommen kann. Wie es verbrecherische Organisationen so gemein haben, reicht ihr Arm weit und kaum jemand kann sich vor ihnen verstecken. Schnell befinden sie sich im Visier der Rechtsextremisten. Die haben keinerlei Skrupel und scheuen vor nichts zurück um ihr Revier zu verteidigen. Schon bald fordert die Ermittlung das erste Opfer; und aus den Ermittlern werden Verfolgte.
Es ist düster. Das ganze Buch, die Geschichte, die Handlung: düster. Es wird nicht gelacht, niemand ist fröhlich. Das liegt zu einem daran, dass Tabor Süden keine Frohnatur ist, zum anderes liegt es daran, dass „M“ gewissermassen der Roman zum „Fall NSU“ ist.
Während die letzte Überlebende der NSU in München vor Gericht steht, liefert Friedrich Ani dazu einen Roman, der von Dingen erzählt, die so oder ähnlich auch in der Wirklichkeit stattfinden können. Nach allem, was in Deutschland an Versäumnissen und Vertuschungen durch den Verfassungsschutz aufgedeckt wurde, erscheint dieser Roman über Alt- und Neonazis keineswegs unrealistisch. Und wie anders sollte man solches darstellen, als mit düsteren Bildern.
Je mehr man liest, desto faszinierender und bedrohlicher wird es. Das Netz der Extremisten reicht weit; darin kann sich jemand für immer verstecken oder jederzeit kann jemand darin für immer verschwinden. Es wird immer mehr zu einem Thriller, in dem man nicht weiß, es nicht wissen kann, wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört.
In seinem Bezug zur gegenwärtigen Lage in Europa, in der in fast allen Ländern die rechtsextremen Lager immer mehr Zulauf gewinnen (zuletzt so geschehen bei der Nationalratswahl in Österreich), ist dieser Roman erschreckend realitätsnahe. Zur Perfektion fehlt aus meiner Sicht nur, dass Friedrich Ani gelegentlich etwas (zu) weit ausholt. Abgesehen davon erneut ein großer Wurf!