Buchbesprechung/Rezension:

Philip Roth: Empörung

verfasst am 13.12.2013 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Roth, Philip
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Schon selbst gelesen? Gib hier Deine Bewertung zum Buch ab!
[Gesamt: 0 Durchschnitt: 0]

EmpörungEin für Philip Roth beinahe typisches Szenario: der jüdische Junge, gerade 18 Jahre alt, der aus der Enge seiner Heimat Newark ausbricht. Sein Studienbeginn am College markiert zugleich seine Abnabelung von seinem Vater; und er markiert den Beginn der Verzweiflung und Ratlosigkeit und Angst, die diese Veränderung bei Vater und Mutter auslöst.

Das Jahr 1951: in Europa noch vollkommen im Griff der Kriegsfolgen, in Korea der Schauplatz des nächsten großen Sterbens. Während sich die USA unter der Flagge der UNO dem wild gewordenen Diktator Nordkoreas entgegenstellt, geht das Leben in Amerika selbst beinahe vollständig seinen gewohnten Gang. Nur über den jungen Männern schwebt immer drohend die Gefahr, nach Korea in einen Schützengraben geschickt zu werden, sollte der Krieg noch länger andauern.

Der Vater nimmt in seinem Streben, den Sohn vor der Welt zu beschützen, dem jeden Raum für persönliche Freiheit und Entfaltung. Kaum hatte Markie auf einem College in der Nähe sein Studium begonnen, wird er von seinem Vater immer mehr und immer obsessiver bedrängt, dieses und jenes nicht zu tun, sich vor Gleichaltrigen in acht zu nehmen, sich zu rechtfertigen, was er tagsüber getan hatte; so sehr, dass er es nicht mehr aushält bei seinen Eltern zu leben. Nach dem ersten Jahr wechselt er aug ein College ins weit entfernte Ohio, wohl wissend, welche Belastung dies für seine Eltern bedeutet. Nun können sie den Sohn nicht mehr unter ihrem Fittiche nehmen und haben dazu auch noch die finanzielle Last zu tragen. Viel, beinahe zu viel für einen koscheren Metzger und sein Frau.

Marcus Messner, von dem meisten „Markie“ gerufen, kommt mit seinem Wechsel von New Jersey in ein College in Ohio erstmals richtig mit der nicht-jüdischen, der christlich geprägten Welt außerhalb seiner Heimstadt in Kontakt. Viele Bereiche sind noch immer strikt getrennt, man geht einander oftmals aus dem Weg. Nicht so konsequent, wie damals die zB. Afro-Amerikaner von der „weißen Welt“ ausgeschlossen war. Aber strikt genug, um jedem klar zu machen, welchen Platz er in der Gesellschaft einnimmt.

So viel zur Ausgangslage.

Was folgt ist die Schilderung der Tagesabläufe von Menschen, die in (aus heutiger Sicht) grandios überkommenen Traditionen und Lebensregeln gefangen sind. In den 1950er-Jahren ist die gesellschaftliche Revolution noch in weiter Ferne und so trachten sie wohl unbewusst sie danach, aus diesem Korsett auszubrechen; jede/r auf unterschiedliche Art und Weise.

Markie liegt im Streit mit jedem, der nicht gänzlich seine Ansichten teilt, es fehlt ihm am Willen, Beziehungen mit seinen Kommilitonen aufzubauen, ja er lehnt es mit zunehmender Verhemenz überhaupt ab. Sein Vater versinkt mehr und mehr in einer Welt des Haders mit allen und allem. Seine Mutter zerbricht zusehends an den Konflikten in der Familie. Und Olivia, die Studentin, mit der Markie seine allerersten sexuellen Erfahrungen macht, hat schon lange zuvor ihren Anker in der Realität verloren.

Zuerst floh Markie vor der Vereinnahmung durch den Vater, dann verspürte er erstmals tiefe Gefühle für eine Frau und machte seine ersten sexuellen Erfahrungen und am Ende bringen ihn seine nicht kontrollierbaren Kontroversen genau dorthin, wo er niemals hin wollte: nach Korea, in den Krieg.

Der Roman ist ein Rückblick aus einer verbüffenden Perspektive. Fesselnd in der Sprache, hat er mich dann doch etwas ratlos zurück gelassen. Denn einerseits war ich überwältigt von der Dichte der Erzählung und konnte mich kaum davon lösen. 

Andererseits hat mich die Beschreibung der gesellschaftlichen Zwänge und Zustände der 1950er weniger begeistert; zu sehr drehte sich für mich die Handlung im Kreis (aus dem ein sich immer schneller werdender Strudel wird, der alles in die Tiefe zieht), um immer wieder zum selben Ergebnis zu kommen: dass man im Jahr 1951 nicht aus den geltenden Normen ausbrechen konnte – und wer es versuchte, konnte nur scheitern.

Womit „Empörung“ für mich ein 100%ig sprachliches, jedoch ein nicht ganz so perfektes inhaltliches Erlebnis ist. Immerhin aber wurden in den 6 Jahrzehnten, die seit der Buch-Zeit vergangen sind, die meisten der damals dominierenden Regeln über Bord geworfen. Nur haben wir jetzt eben andere.




Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Top