Buchbesprechung/Rezension:

Günter Neuwirth: Der blinde Spiegel

verfasst am 29.01.2014 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Neuwirth, Günter
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Nach einem Rundumblick auf das derzeitige Angebot an PolitikerInnen ist man schnell verleitet sich den Kaiser zurück wünschen, ohne dabei als ewiggestriger Monarchist gelten zu müssen. So ein bisserl kaiserlicher Glanz anstatt sesselklebender Langeweiler: das wäre doch etwas..

In Günther Neuwirths Roman hat Österreich-Ungarn zwar den 1. Weltkrieg gewonnen, die Donaumonarchie extistiert noch immer und an dessen Spitze steht von Gottes Gnaden der Kaiser. Jedoch leider ohne Operettenseligkeit sondern an der Seite Hitlerdeutschlands im Krieg gegen den Rest der Welt und im Inneren zum totalitären Staat gewandelt (Also doch keine erstrebenswerte Alternative zu Faymann, Spindelegger & Co)

Das Ende des Krieges und der Sieg der Achsenmächte brachten die Militaristen an die Spitze des Staates; für viele Bevölkerungsgruppen der Monarchie brach damit anstatt eines friedvollen Daseins ein dunkles Zeitalter an. 

Drei Erzählstränge laufen nebeneinander ab:

Der Krieg in den Jahren 1914 – 1919, als die Hurra-Seligkeit sehr schnell durch die Frontrealität aus Blut, Tod und Stumpfsinn abgelöst wurde. Der junge Valentin Kellermeier dient in der k.u.k. Armee; zuerst an der Ostfront, wo er verletzt wird. Nach Jahren des Krieges gehen der Armee die Soldaten aus und so müssen die Verletzten und Alten an die Front: Valentin nimmt an der 12. Isonzoschlacht teil, in der Österreich-Ungarn den kriegsentscheidenen Sieg erringt.

1946 ist Kellermeier am untersten Rand der Gesellschaft angelangt. Seine Gedichte, in denen er vom Frieden schrieb, und sein Einsatz für den Frieden verschafften ihm 16 Jahre Aufenthalt in einem Arbeitslager. Subversive Aktivitäten werden umgehend und hart bestraft. Jetzt ist er in Budweis untergekommen, inmitten von  Vertriebenen, Hungernden und Hoffnungslosen, die in Städten wie dieser konzentriert wurden.

Und schlussendlich Hermann Graf Meyendorf. Der Kriegsheld, das Fliegerass, der Neffe eines Helden der Monarchie. Vom Elend der Kellermeiers, oder wie sie immer heissen mögen, hat er keine Ahnung. Er lebt in der seit ewigen Zeiten abgeschlossenen Welt des Adels, der besseren Gesellschaft.

Diese drei Ebenen bewegen sich, quer über die dazwischen liegenden Jahre und die räumliche Distanz, zielstrebig auf ein finales, gemeinsames Ende zu; und alles deutet darauf hin, dass dieses Ende die Apokalypse sein wird.

Neuwirth gelingt es mühelos, jeder Ebene für sich einen eigenen Charakter zu geben. Jede für sich ergibt ein wirklich dichtes und vollkommen realitisch erscheinendes Szenario. So war der 1. Weltkrieg an der Ostfront, so lebt es sich als anders denkender in einem totalitären Staat, so erlebt ein Kriegsheld den Krieg,

Der stete Wechsel zwischen diesen drei Ebene sorgt für eine zunehmende Spannung. Schon bald war ich in den Schicksalen der Männer gefangen und in die Beschreibung ihrer Lebensläufe eingetaucht.

Günther Neuwirth ist es großartig gelungen, aus den so unterschiedlichen Lebensinhalten einen Roman zusammen zu fügen, der es mit den Veröffentlichungen weitaus berühmterer und gerühmterer Autoren leicht aufnehmen kann.

„Der blinde Spiegel“ ist eine mächtige Schrift gegen den Krieg und für die Freiheit: so unterschiedlich die Beteiligten sein mögen, an welchem Ort in der Gesellschaft sie sich befinden mögen, ob sie auf der Seite der Unterdrücker oder der Unterdrückten stehen  – am Ende werden alle zu Opfern und niemand wird Nutzen aus dem Chaos gezogen haben; es wird immer nur Verlierer geben.

Es ist eine Fiktion, zweifelsfrei – und von einem solch apokalyptischen Geschehen sind wir heute weit entfernt. Es ist aber nur wenige Jahrzehnte her, da fehlte nicht viel und der 2. Weltkrieg hätte ähnlich geendet, wie der 2. Weltkrieg, den Günter Neuwirth erdacht hat. Ganz zu schweigen von den Folgejahren.

Alles zusammen: ein tolles Buch!

PS: 99 Luftballons




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