Buchbesprechung/Rezension:

Johann Skocek: Mister Austria
Das Leben des Klubsekretärs Norbert Lopper

verfasst am 10.09.2014 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Skocek, Johann
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Eines vorweg: meine Zeit als Fußball-Fan ist schon sehr lange her. Das „I wer narrisch“ von Edi Finger habe ich noch gehört aber danach war es mit meinem Interesse am Fußball vorbei.

Warum dann ein Buch über einen früheren Funktionär der Wiener Austria lesen? Weil er einer der wenigen ist, der als Jude aus Wien die Konzentrationslager überlebte und weil ich die Erinnerungen von Menschen, die die Nazizeit überleben konnten, für so ungemein wichtig halte.

Geboren im Jahr 1919 war Norbert Lopper schon in seiner Jugend ein Fußball-Vernarrter. Er schaffte es in die Mannschaft der legendären Hakoah bevor er im Jahr 1938 nach Belgien flüchtete. Nur wenige Jahre konnten er und seine Frau Rebecca einigermaßen in Sicherheit im Exil leben, doch dann griffen die Nazis auch noch nach den letzten lebenden Juden in den von Deutschland besetzten Gebieten.

Norbert Lopper erzählte dem Journalisten Johann Skocek von seinem Leben und Überleben in Ausschwitz und Mauthausen. Er erzählte, wie er seine Frau Rebecca zum letzten Mal sah, bevor man sie in die Gaskammer schickte. Er erzählte von den gewissenlosen Verbrechern in SS-Unform, die nach dem Krieg (viel zu) oft ein weitgehend unbehelligtes Leben führten. Und er erzählte von denen, die inmitten dieser gewaltdurchtränkten Zeit noch eine Spur Menschlichkeit bewahrten.

Johann Skocek zitiert Norbert Lopper in diesem Buch sehr oft „wörtlich“ wobei ich mit der von ihm, sichtlich zur besseren Lesbarkeit des Gesprochenen, gewählten Verschmischung von Dialekt und Hochdeutsch gelegentlich Probleme hatte. Mehrmals musste ich mir dann einen Satz laut vorsagen um den Inhalt zu verstehen. Da hätte ich eine Niederschrift in Hochdeutsch eindeutig bevorzugt.

Neben Noppers Erzählungen stellt der Autor die Ereignisse der jeweiligen Zeit und bringt damit ein sehr persönliches Stück Zeitgeschichte zu Papier. Und natürlich, für Fußballfans, die Geschichte des Fußballs in Wien und der Wiener Austria.

Im Jahr 1953 kehrte Norbert Lopper nach Wien zurück. Acht Jahre nach dem Ende der Nazis machte er jene Stadt wieder zu seiner Heimat, aus der er, der Jude, zuvor wegen des dumpfen Hasses und des blinden Fanatismus der Bevölkerung fliehen müsste. Er wählte jenes Land wieder als seine Heimat, in dem er mit den Tätern Tür an Tür wohnen würde. Für mich kaum nachvollziehbar, wie man das überhaupt schaffen kann.

Ich bin immer wieder betroffen, wenn ich solche Lebensgeschichten lese oder höre. Die meisten der Opfer der Nazis, die Hitlerdeutschland überlebten, sind mittlerweile verstorben. Ich  selbst lebte einen Teil meines eigenen Lebens neben ihnen, ohne von ihnen zu wissen. Und ich lebte viele Jahre lang neben Nazi-Verbrechern, ohne sie erkennen zu können, weil sie niemand,wider besseren Wissens, zur Rechenschaft zog.

Norbert Lopper widmete nach seiner Rückkehr nach Wien sein Leben der Wiener Austria und war somit genau in jener Zeit dort Sekretär, in der ich meine kurze Phase als Fußball-Begeisterter hatte. Das Buch ist aber auch für solche Fußball-Ignoranten, wie ich nun einer bin, lesenswert und berührend.

Vor 75 Jahren begann Hitler den 2. Weltkrieg, der Millionen Menschenleben kostete. Die Lehren daraus geraten aber zunehmend – und in immer rasanterem Tempo – in Vergessenheit; man muss sich nur die täglichen Nachrichten ansehen. Umso bedeutender ist dieses Buch: ein weiterer, ein wichtiger Beitrag gegen das Vergessen.




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