Buchbesprechung/Rezension:

Andreas Latzko: Menschen im Krieg

verfasst am 31.10.2014 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Latzko, Andreas
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Im Jahr 1917, mitten im 1. Weltkrieg erschienen diese 7 Kurzgeschichten in Buchform. Davor veröffentlichten verschiedene schweizer Zeitungen bereits einzelne dieser Erzählungen, auch das Buch wurde in der Schweiz verlegt. Denn in den kriegsführenden Staaten konnte man zu dieser Zeit nichts über die Schrecken des Krieges, über den Pazifismus schreiben – da ging es um Aufrechterhaltung der Moral, auch wenn es das bittere Ende bedeuten würde.

Andreas Latzko war selbst ein Opfer des Krieges. In der ersten der Erzählung, mit dem Titel „Der Abmarsch“, beschreibt er einen jungen Offizier, der körperlich unversehrt einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Die Filmaufnahmen von unkontrolliert zitternden Soldaten kennen viele wahrscheinlich aus diversen Dokumentationen – Latzko war selbst einer dieser sog. „Kriegszitterer„. In die Schweiz kam er zu einem Kuraufenthalt und dort schrieb er seine erschütternden Erzählungen über die bis dahin nie gekannte Brutalität und Unmenschlichkeit eines neuzeitlichen, eines „modernen“ Weltkrieges. Den Befehl, nach seiner Genesung wieder in die Armee einzutreten, missachtete er und blieb bis Kriegsende in der Schweiz.

„Der Abmarsch“ ist eine Anklage gegen alle, die nichts dagegen unternahmen: all die Menschen, die bei Kriegsausbruch jubelnd die Straßen säumten, als die Soldaten an die Front marschierten. Der alte Hauptmann, der versucht, die ihm untergebenen Soldaten, seine Männer, die er ausgebildet hatte, bei der „Feuertaufe“ vor Unheil zu bewahren; wie das aber vergeblich ist, denn sie sind alle zum Sterben an die Isonzo-Front gekommen.

Jeder Krieg bringt Gewinner hervor. Da der General, der sich im Ruhm einer gewonnen Schlacht sonnt; dort die Kaufleute, die ihren Gewinn in Geld zählen können. Sie alle sind versammelt in „Der Sieger“ und können in ihren Salons dem Krieg gar nichts schrechlickes abgewinnen. „Der Kamerad“, das sind alle die Toten, die man um sich herum hatte sterben sehen; sie alle, vereinign in einer einzigen Person, die immer gegenwärtig bleibt.

Der „Heldentod“:  alleine dieses Wort ist die größte Lüge. Und am Ende die „Heimkehr“ (ja, es gab noch Männer, die heimkehren konnten). Nichts ist geblieben vom Jubel beim Abmarsch.

Latzkos Sprache ist ausholend, man merkt ihr an, dass sie vor beinahe 100 Jahren zu Papier gebracht wurde, die Sprache der Monarchie. Bisweilen umschreibt er das Geschehen beinahe blumig, schmückt aus, verwendet ein teilweise heute nicht mehr gebräuchliches Vokabular. Den Krieg macht er dabei zu einem Wesen, das wie ein Berserker durch das Land zieht, einem Wesen, dass sich von seinen früheren Beherrschern – Kaiser, Könige, Generäle, Premieminister – schon längst losgesagt hat und nun sein eigenes Lebenswerk vollbringt. Auf dem Weg dieses Wesens bleibt nichts bestehen und das, was es hinterlässt, ist vor Grauen erstarrt und tot.

Schon wenige Wochen nach der Veröffentlichung von „Menschen im Krieg“ empfahl Karl Kraus in der Fackel seinen Lesern dringend, sich dieses Buch in irgendeiner Weise aus der Schweiz zu besorgen. In den nach dem 1. Weltkrieg von rasch wieder anschwellendem Militarismus geprägten Jahren war für das Buch wieder kein Platz – und es geriet in der Öffentlichkeit, bis heute, in Vergessenheit.

Interessant ist nun, dass der Elektrische Verlag (Berlin, Jänner 2014) und der Milena Verlag (Wien, Juli 2014)  unabhängig voneinander in kurzem Abstand eine Neuauflage auf den Markt brachten, beide Verlage im Rahmen ihrer Buchreihen anläßlich 100 Jahre Beginn des 1. Weltkrieges.




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