Buchbesprechung/Rezension:

Al Gore: Die Zukunft
Sechs Kräfte, die unsere Welt verändern

verfasst am 14.11.2014 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Gore, Al
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Al Gore ist für mich der beste US-Präsident, der niemals Präsident wurde. Liest man seine Bücher, dann lässt sich jedoch unterstellen, dass er auch der US-Präsident gewesen wäre, der am grandiosesten gescheitert wäre, noch mehr als Barack Obama. Warum? Seine Thesen und Ansichten widersprechen in weiten Teilen grundlegend dem, was in den USA (aber auch in der EU) in der Politik heute opportun und umsetzbar ist.

In „Die Zukunft“ teilt er die Hauptströme, die die Welt derzeit antreiben,  in sechs Bereiche – Kräfte – ein. Ein paar der Themen daraus sind:

Die Wirtschaft im Kapitel „Die Welt AG“:

Ein Blick auf die Globalisierung der Realwirtschaft und auf die „Schattenwirtschaft“, die im Millisekundentakt Finanzwerte hin und her verschiebt (und mehr als das 40-fache des Wertes der realen Wirtschaft ausmacht). Gore führt vor Augen, wie die Globalisierung nicht zur Verbesserung der der Lebenssituation in Europa und den USA führte, sondern zur andauernden Anstieg der Arbeitslosigkeit führte. Denn die mit dem Anstieg des Welthandels einher gehende Erweiterung des Angebotes und der Preisverfall beschleunigten nur die Verlagerung der Arbeitsplätze. Und er führt aus, wie dieser Vorgang sich in den Ländern wiederholt/wiederholen wird, die durch Verlagerung der Produktion derzeit noch davon profitieren. Ein weiteres angesprochenes Thema ist die rasant ansteigende Automatisierung in alles Wirtschaftsbereichen.

Meine Anmerkung dazu: Die Folgen dieser Verluste von Einkommen aus Arbeit – Sinken der Einkommen und Rückggang der Nachfrage – lassen aber nicht durch einzelne Unternehmen bekämpfen, deren Ziel ja nur die Maximierung des eigenen Ertrages sein kann. Das Gegensteuern der Politik ist jedoch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, denn es wird weiterhin vorrangig Politik für Wirtschaftunternehmen und nicht für die Menschen gemacht. Ein besonders dratisches Beispiel dafür ist in Österreich die „kalte Progression“ bei der Lohnsteuer. Während also die Arbeitseinkommen immer stärker besteuert werden, bleiben die Wertschöpfung der Unternehmen und die Gewinne aus Spekulation weiterhin massiv begünstigt.

Der Einfluß der Wirtschaft auf die Demokratie im Kapitel „Machtfragen“:

Der seit Jahrzehnten immer weiter wachsende Einfluß, den Wirtschaftunternehmen in der Politik nehmen, bedroht nicht nur die Demokratie sondern führt auch zu immer schlechteren Lebensbedingungen für die Bevölkerung. Al Gore führt aus, wie Lobbyisten und rechtskonservative Richter und Abgeordnete das Land immer mehr in den Dienst einzelner Unternehmen stellen. Es wird nicht mehr nach den Bedürfnissen der Menschen sondern beinahe nur mehr nach den Forderungen der Wirtschaft regiert.

Ein Beispiel dafür ist MediCare – die US-Variante der allgemeinen Krankenversicherung – die von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung befürwortet wird, von den rechtskonservativen Vertretern im Kongress als „sozialistisch“ verteufelt wird. Dies – und weitere Maßnahmen – führten dazu, das die Lebensstandards in den USA z.T. weit hinter die in anderen westlichen Ländern zurückgefallen sind.

Meine Anmerkung dazu: von einem aktiven US-Politiker würde man niemals derart offene Worte darüber hören, wie die Wirtschaft die politische Kaste und die Medien in den USA bereits unterwandert und korrumpiert hat. Wäre Gore Präsident geworden, hätte er seien Vorstellungen wohl auch nicht so einfahc umsetzen können. Die von Wirtschaftsinteresse getriebene Blockadepolitik der Republikaner in den vergangenen Jahren hat bekanntlich auch den mit so großen Vorhaben angetretenen Barack Obama in die Knie gezwungen. In Europa sind wir noch nicht so weit – der wachsende Einfluss von Lobbyisten in Brüssel (und auch bei uns – man kann die gerichtliche Aufarbeitung der Auswüchse in der Schüssel-Haider-Grasser-Ära täglich in den Medien verfolgen) kann jedoch, wenn man dem keinen Riegel vorsetzt, zu ähnlichen Zuständen wie auf der anderen Seite des Atlaniks führen.

Das sind nur ein zwei der vielen aktuellen Themen, derer sich Gore annimmt. Tatsächlich findet man hier wahrscheinlich zu 90% der Schlagzeilen unserer Zeit eine sehr detailreiche Hintergrund-Analyse.

Es ist kein Enthüllungsbuch, dieses Buch enthält unmengen an Fakten, die allgemein bekannt sind. Das Zusammenführen und das Aufzeigen von Querverbindungen ist hingegen für uns oft nicht einfach. Diese Arbeit nimmt uns Al Gore ab und zeigt auf, relativiert, erklärt, analysiert, bewertet. Sein Schwerpunkt liegt dabei natürlich in der Situation in den USA: nach seiner Prognose führt die Fortführung des derzeitgen Weges dort unweigerlich zum Niedergang der Demokratie.

Viel Lesestoff und viel, das im besten Fall für Stirnrunzeln, im schlechtesten Fall für Entsetzen sorgt;  mit dem aus dem Buch gewonnenen Wissen lassen sich jedenfalls die täglichen Nachrichten aus ein paar neuen Gesichtspunkten betrachten und das Wissen um die normalerweise nicht bekannt Zusammenhänge lässt vieles besser verstehen (wenn auch ncith akzeptieren).

Faktum ist aber auch, dass „Die Zukunft“, wie es der Titel des Buches suggeriert, nicht im Mittelpunkt steht. Vielmehr ist es über weite Strecken ein Abrechnung mit der Politik und der Wirtschaft; als solche lesenswert, als Anstoß für zukünftige Entwicklungen jedoch nicht unbedingt.

PS: Das Lesen habe ich mir über mehrere Wochen aufgeteilt. In einem durch, das wäre zu viel Input auf einmal gewesen.




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