Harper Lee: Gehe hin, stelle einen Wächter
Autorin/Autor: Lee, Harper
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Sirod
Der Titel des Buches basiert auf einen Vers aus der Bibel ( Seite 110 des Buches).
Lee Harper hat mit Ihrem, Pulitzer-Preis ausgezeichnetem Buch – Wer die Nachtigall stört – die Südstaaten Problematik geschildert. In dem Buch – Gehe hin, stelle einen Wächter – begegnet man wieder den Protagonisten dieses Buches.
Gehe hin, stelle einen Wächter setzt die Geschichte fort. Viel hat sich in Maycomb/Alabama verändert. Die Rassenunruhen machen auch vor dem beschaulichen Maycomb nicht halt.
Harper Lee erzählt eindringlich, voll Leidenschaft, die Geschichte der Familie Finch weiter. Die sehr emotionale Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter Finch zeigt deutlich auf, wie die Familie durch die unterschiedliche Einstellung/Auffassung zu dem sehr brisanten Thema, der Rassentrennung, beinahe zerbricht
Jean Louise Finch, die in New York lebt, kommt als 26jährige wieder nach Maycomb, um ihren Urlaub bei ihrer Familie zu verbringen. Jean Louise spürt bald, dass sich etwas verändert hat. Eines Tages entdeckt sie auf dem Schreibtisch ihres Vaters eine radikale Zeitung zum Thema Rassenunruhe. Sie will mehr wissen und schleicht sich heimlich in eine Bürgerveranstaltung. Dort lernt sie ihren heißgeliebten Vater und ihren Freund Henry von einer Seite kennen, die sie total aus der Bahn wirft. Beide befinden sich in einem Kreis von Rassisten, von Ku-Klux-Klan Mitgliedern. Jean Louise wird mit ungeahnten Seiten Ihres Vaters und Freundes konfrontiert. Verstört verlässt sie die Versammlung. Sie stellt ihren Vater zur Rede, will mit ihm und ihrem Freund nichts mehr zu tun haben.
In einem aufwühlenden Dialog zwischen Vater und Tochter, in dem, wie es scheint, zwei unterschiedliche Auffassungen aufeinander prallen, zerbricht das Weltbild von Jean Louise. Sie wirft ihrem Vater vor ein Rassist zu sein. Für sie war er immer ein Bürgerrechtler, der als Anwalt auch schwarze Bürger verteidigt hat. Atticus Finch ist ein konservativer Mensch mit moralischen Grundsätzen. Er lehnt Gewalt ab. Trennt aber strikt zwischen schwarz und weiß. Die schwarzen Mitbewohner in Maycomb leben auf der „anderen Seite“, dort sollen sie auch bleiben. Sie sind ja dumm, schmutzig, faul. Sie sind noch weit davon entfernt mit den Weißen mitzuhalten.
Am Ende des hitzigen Gespräches mit ihrem Vater packt Jean Louis ihren Koffer, mit der Absicht umgehend aus Maycomb abzureisen. Dr. Jack Finch, der Bruder ihres Vaters, hält sie davon ab. Sie bleibt in Maycomb.
Die intensiven Schilderungen über Maycomb, der Bewohner, haben mich bildlich in diese Kleinstadt versetzt. Harper Lee versteht es, einem eindrucksvoll das Leben der Familie Finch nahe zu bringen. Das Buch zeigt aber auch auf, obwohl es Mitte der 50-iger Jahre geschrieben wurde, dass sich seit damals gar nicht soviel verändert hat. Menschen werden weiter verfolgt. Es gibt wohl die strikte Rassentrennung nicht mehr. Jedoch werden schwarzen Menschen oftmals noch ungerecht behandelt, sie werden gemieden. Ihre Chancen im Leben sind um einiges schlechter als die der Weißen. Vergisst die Welt, dass die Wiege der Menschheit in Afrika liegt?
Ich bin bewusst nicht mehr auf den Inhalt des Buches eingegangen. Das ist ein Buch, das man selbst lesen muss. Schilderungen von Bruchstücken würden diesem wunderbaren Roman nicht gerecht werden.
„Gehe hin, stelle einen Wächter“ wurde von Harper Lee vor ihrem Weltbestseller „Wer die Nachtigall stört“ geschrieben. Der Roman galt bisher als verschollen und erschien, fast sechzig Jahre später, weltweit zeitgleich im Juli 2015.