Buchbesprechung/Rezension:

Edith Kneifl (Hrsg): Tatort Gemeindebau
13 Kriminalgeschichten aus Wien

verfasst am 24.09.2016 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Kneifl, Edith
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Im Gemeindebau in Wien wurde Geschichte geschrieben. Im Gemeindebau in Wien wird gelebt, gestorben, es wird geraunzt und intrigiert. Der Gemeidebau in Wien war (und ist es auch noch heute, wenn auch lange nicht mehr so wie damals) eine Welt für sich, damals in seiner Hoch-Zeit; damals, als man nicht eine Straße als seine Adresse nannte sondern den Namen seines Gemeindebaus.

Da gibt es einerseits die alt eingesessenen aus der Zwischenkriegszeit: den Karl-Marx-Hof, den Rabenhof, den Karl-Seit-Hof, und wie sie alle heißen. Erkennbar an den kleinen Fenstern, der massigen Bauweise, die an eine Trutzburg erinnert. Und das waren sie auch, diese Gemeindebauten, die nach dem 1. Weltkrieg die Wohnungsnot lindern sollten: Trutzburgen, die zu Beginn der 1930er -Jahre Schauplatz der Kämpfe zwischen Sozialdemokraten und Austrofaschisten wurden.

Dann die Generation der Gemeindebauten, die nach dem 2. Weltkrieg entstanden: schmucklos, nur schnell hochgezogen; Plattenbauten, Stiegenhaus an Stiegenhaus, schnell hochgezogen, billig gebaut. Wie Ghettos entstanden riesige Gemeindebau-Gebiete am Rand der Stadt. Und heutzutage die Gemeindebauten, denen man es gar nicht mehr so richtig ansieht; die neue Stadtteile bilden, modern, komfortabel, mit Einkaufszentrum und U-Bahnanschluss – all inclusive gewissermaßen.

Beim Stichwort Gemeindebau denke ich automatisch an die aus der Zwischenkriegs-Generation: die haben architektonischen Charakter, sind nicht so beliebig wie jene, die bis in die 1980er-Jahre entstanden. Die wiederum sind gesichtlos, könnten in irgendeiner Stadt stehen.

Als Schauplatz für Verbrechen eignen sich alle, denn dort wo so viele Menschen zusammen leben, dort passiert etwas. Ganz logisch also, dass die Falter-Tatort-Reihe auch im Gemeindebau Station macht.

Geschichten über Eifersucht, Intrige, Neid und Gier. Immer wieder sehe ich sie vor mir: die Leute, die oben hinter ihrem kleinen Fenstern sitzen und denen nichts entgeht (So wie wir es eben aus dem Kaisermühlen-Blues kennen). Anders herum funktioniert das aber nicht so einfach: denn was hinter diesen kleinen Fenstern geschieht, das wissen wir meistens nicht. Genau deshalb gibt es Bücher wie „Tatort Gemeindebau“: damit wir einen Blick hinein werfen können.

Diese Prägung auf den „Kaisermühlen-Blues“ scheine ich aber nicht alleine zu haben. Denn die Mehrzahl der 13 Geschichten orientiert sich auf die eine oder anderen Weise daran (aber wie sollte es auch anders sein, hat doch der Autor Ernst Hinterberger damit eine kaum zu übertreffende Charakteristierung geschaffen). So tummeln sich in den Geschichten Hausmeister, die quasi über ihre Steigen herrschen; alleinstehende ältere Damen – vornehmlich mit tschechischem Familiennamen, die alles wissen und jeden kennen; schräge Vögel hinter winzigen Fenstern in winzigen Zimmern.

„Tatort Gemeindebau“ ist eine Geschichtensammlung für Wienerinnen und Wiener, Außenstehende werden hie und da wohl Probleme haben, das Millieu zu verstehen. Insgesamt weniger Krimi-Kurzgeschichten als Studien über den nur in Wien beheimateten „Homo Gemeindebau“: eine endemische Spezies, typisch für die Stadt, in diesen Geschichten jedoch meist ganz ohne das so oft besungene Goldene Wienerherz.

Auf mörderische Streifzüge durch die Wiener Gemeindebauten begaben sich: Reinhardt Badegruber, Eva Holzmair, Reinhard Kleindl, Edith Kneifl, Beatrix Kramlovsky, Lisa Lercher, Andreas P. Pittler, Manfred Rebhandl, Erwin Riess, Thomas Schrems, Sylvia Treudl, Günther Zäuner, Franz Zeller.




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