Buchbesprechung/Rezension:

Hans-Henning Scharsach: Stille Machtergreifung
Hofer, Strache und die Burschenschaften

Stille Machtergreifung
verfasst am 03.10.2017 | 2 Kommentare

Autorin/Autor: Scharsach, Hans-Henning
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Norbert Hofer machte es vor: mit schmeichelweichem Auftreten lockte er in guter alter Rattenfänger-von-Hameln-Manier beinahe die Hälfte der Wählerinnen und Wähler bei der letzten Bundespräsidentenwahl an. Ein – aus Sicht seiner Gesinnungsgenossen – perfekter Testlauf für die im Herbst 2017 anstehende Nationalratswahl. Parteiführer Strache hat sich dafür Hofers Agieren zum Vorbild genommen und verzichtet bei seinen Auftritten auf sehr vieles, das Wähler, die mehr aus Protest denn aus Überzeugung die sog. „Freiheitlichen“ wählen, verschrecken könnte. Bis hin zur Brille, weil man damit ja auch gleich viel seriöser wirkt.

Bei der letzten Regierungsbeteiligung dieser Partei, im Rahmen der Schüssel-Haider-Koalition ab dem Jahr 2000, die unsere Gerichte und die Medien auch noch heute, 17 Jahre nach deren Start, beschäftigt, waren sichtlich jene in Entscheidungsposition gespült worden, bei denen vorrangig Eigennutz und Selbstdarstellung die Motivation waren (aktuelles Buch dazu: Der geplünderte Staat und seine Profiteure). Ideologie spielte dabei eine noch geringere Rolle als bei denen, die heute in der FPÖ das Sagen haben.

Denn die sog. „Freiheitlichen“ haben natürlich gelernt: mit Krawall kann man nur eine begrenzte Wählergruppe ansprechen, nämlich jene, die selbst Krawall machen möchte. Um sich wieder in die Regierung zu drängen, müssen die unzufriedenen, die ideologiefreien Wähler angesprochen werden, die auch nicht allzu genau nachsehen, wem sie da eigentliche ihre Stimme geben. Und die darf man nicht durch allzu offenherzige Darstellung der eigenen Beweggründe und Ziel verschrecken. (Denn ein großer Anteil dieser Wähler hat nach meiner Einschätzung nichts mit der wirklichen Ideologie der FPÖ zu tun, sondern wünscht sich nur eine Veränderung – und wie so oft, bekommen dann die Lautesten den meisten Zuspruch)

Innerhalb und unter dem Dach der FPÖ haben in den vergangenen Jahren jene Kräfte die zentralen und entscheidenden Positionen eingenommen, für die Rechtsextremismus, NS-Nostalgie, Antisemitismus und Schüren von Hass und Gewalt nichts Anstößiges sind. Ich werde mich hier hüten, irgendeinem der Herren (denn ja: diese Partei besteht vorrangig aus weißen Männern) in dieser Bewegung irgendetwas davon zu unterstellen, denn die Freiheitlichen sind ja jene Partei, die öfter als alle anderen Parteien zusammen jemanden verklagen. Jedenfalls: diese ideologische Ausrichtung ist das, was der Demokratie in Österreich und in Europa gefährlich werden kann.

Hans-Henning Scharsach ist ein profunder Kenner der Szene und analysiert die Vorgänge auf wissenschaftlicher Basis.  Herausgekommen ist dabei ein Buch, das neben vielen bekannten Fakten jede Menge – zumindest mir – noch nicht bekannte hinzu fügt. Was den Inhalt des Buch dann so beängstigend macht, ist die schiere Menge der im Buch aufgelisteten Angriffen auf die Demokratie, die aus der oder aus dem Umfeld dieser Partei andauernd vorgetragen werden.

Als Personal- und Propagandareserve stehen die Burschenschaften, die schlagenden Verbindungen, allzeit bereit. Diese haben sowohl die Partei als auch bereits einige zentrale politische Positionen unseres Landes mit einem dichten Netzwerk überzogen. Und es sind dabei gerade die Österreichischen Burschenschaften, die fest auf dem Fundament der Deutschtümelei, der Blut-und-Boden-Ideologie und der Relativierung der NS-Verbrechen stehen. So fest und so extrem, dass sich in Deutschland die liberalen Burschenschaften davon distanzieren – denn auch in Deutschland stehen die Österreichischen Burschenschaften ganz vorne, wenn es um Rechtsextremismus geht.

Diese extreme Minderheit der Burschenschafter hat es schon immer gegeben. Neu ist, dass diese kleine Gruppe mit Hilfe einer von ihr gelenkten Partei daran geht, übermäßigen Einfluß auf ein ganzes Land zu gewinnen. Ironischerweise mit Tiraden gegen „Die Eliten“ obwohl sich doch gerade die schmissigen Typen als Elite betrachten.

Mit der – zugegebenermaßen – wirkungsvollen Propaganda über ein angeblich zerstörtes Österreich, die sich zu einem überwiegende Teil aus Lügen, Übertreibungen und Falschmeldungen zusammen setzt ist es der FPÖ und den dahinter stehenden Organisationen gelungen, eine große Gruppe von Anhängern zu schaffen, die sich jeder Diskussion, jeder Argumentation und jeder anderen Meinung verweigern und alles und jeden, der anderes denkt und sagt, als Lügner und Volksverräter beschimpft.

Im Buch werden die Fakten zu einer Vielzahl von Themen aufgeführt und belegt, über die sich Strache, Hofer und Gesinnungsgenossen definieren bzw. definieren lassen. Das sind u.a.Verschwörungstheorien inkl. Chemtrails, verschweigen der eigenen rechtsextremen Vergangenheit, Teilnahme an Aktionen von rechtextremen oder faschistischen Gruppierungen, das Schüren von Aggressionen durch bewusste Falschmeldungen, das Zusammenspiel mit der Krone, die Verdrehung historischer Tatsachen, Relativierung von NS-Verbrechen, Infragestellung des Verbotsgesetzes unter der Mäntelchen der Meinungsfreiheit (die aber wieder schnell in Frage gestellt wird, wenn man selbst kritisch beleuchtet wird), uvm.

Es sieht im Moment leider so aus, als ob diese schmutzige Welle nach der Wahl wieder bis in die Regierung schwappen wird.
Aber wer am 15.Oktober 2017 wählen geht, muss sich nach der Wahl nicht vorwerfen, nichts dagegen unternommen zu haben.

PS: und ja, vielen Dank an die SPÖ, die es soeben schafft (Stichwort: Facebook und Dirty Campaining), sich mitten im einem so richtungsweisenden Wahlkampf, selbst zu demontieren, anstatt gemeinsam mit den anderen demokratischen Parteien den sog. „Freiheitlichen“ entgegen zu treten.




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