Mechtild Borrmann: Trümmerkind
Autorin/Autor: Borrmann, Mechtild
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
Ein unglaublich faszinierender Roman. Er beginnt an drei Orten, zu drei Zeiten: im Osten Deutschlands, als die Russische Armee im Jahr 1945 immer näher rückt; im Hamburg des Jahres 1947, als im unglaublich kalten Winter die Menschen, die in den Trümmern hausen, täglich ums Überleben kämpfen müssen; im Jahr 1993, als zwei Menschen, die einander nicht kennen, auf die Spur ihrer Vergangenheit stoßen, die seit dem Ende des Krieges hinter dem Eisernen Vorhang verborgen war.
Anna ist Lehrerin und macht sich auf, die alte Heimat ihrer Familie im Osten Deutschlands zu erkunden, obwohl ihre Mutter sich stets geweigert hat, von dieser Vergangenheit auch nur zu sprechen.
Joost ist Architekt und findet ein unerwartet vertraut wirkendes Gebäude. Alte Fotografien scheinen ihn an etwas aus seiner eigenen Vergangenheit zu erinnern; aber was soll er mit eine verfallenen Gutshof im Osten zu tun haben? Er weiß, seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester nicht seine leiblichen Verwandten sind, sondern dass er von ihnen in diesem eisigen Winter, als er ein kleiner Junge war, gefunden und aufgenommen wurde. Aber mit der Suche nach seiner Herkunft hat er schon vor Jahren aufgehört, denn die erwies sich als aussichtslos.
Der 14-jährige Hanno durchstreift die Trümmer Hamburgs auf der Suche nach Dingen, die er gegen Lebensmittel oder Kohle für sich, seine Schwester und seine Mutter eintauschen kann. An die Toten, die er dabei sieht, hat er sich gewöhnt; und doch prägt es sich tief in seinem Gedächtnis ein, als er die Frau findet – und dem kleinen Jungen, der unweit der Toten verloren und stumm in der Kälte steht.
Rund um Clara bricht ihre gewohnte Welt zusammen, als der Krieg immer näher rückt, immer mehr Flüchtlinge das Dorf erreichen und als dann mit einem Mal russische Soldaten im Gutshof auftauchen. Sie kann nur ohnmächtig zusehen, wie immer mehr der Menschen um sie herum für immer verschwinden.
Die Erzählung vom Leben zum Kriegsende und in den Jahren danach ist gleichmaßen fesselnd und erschütternd. Es ist nicht der erste Roman von Mechtild Borrmann, der eine Brücke zwischen dieser Vergangenheit und der Gegenwart baut, doch es es für mich der bisher beste. Das aber habe ich mir bei jedem Roman gedacht, den ich von ihr gelesen habe und doch ist immer noch eine Steigerung möglich.
So überwältigend real, wie sie vom Leben in einer Welt erzählt, das wir, die wir sie nicht erlebt haben, uns niemals werden vorstellen können. Aus der Geschichte zweier Familien in den Nachkriegswirren wird erst nach und nach ein Krimi, der wiederum für Spannung bis zum Ende sorgt.
Ein Roman, den man als Buch zur Zeitgeschichte, als Familiengeschichte und als Krimi gleichzeitig erlebt. Ein Erlebnis!