Buchbesprechung/Rezension:

David Grann: Das Verbrechen
Die wahre Geschichte hinter der spektakulärsten Mordserie Amerikas

Das Verbrechen
verfasst am 20.12.2017 | 1 Kommentar

Autorin/Autor: Grann, David
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
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Kaum zu glauben, dass das, was in diesem Buch beschrieben ist, genau so passiert ist. Ein Tatsachen-Thriller, über die 1920er-Jahre in den USA, über eine Zeit voller Diskriminierung, Korruption und Rechtlosigkeit.

Die amerikanischen Ureinwohner wurden im Zuge der Expansion der Vereinigten Staaten verjagt, ermordet und entmündigt. Man beraubte sie ihres Landes und sperrte sie in Reservate, die dort eingerichtet wurden, wo die weißen Siedler kein Interesse an einer Landnahme hatten. Also dort, wo das Land unfruchtbar und unwirtlich war.

Die Osage sind ein Stamm, der mehrmals vertrieben wurde und durch Gewalt und Krankheit auf nur noch einen kleinen Rest der ursprünglichen Stammesgröße dezimiert wurden. Letztendlich konnten Sie einen trostlosen Landstrich in Oklahoma kaufen, für den sich sonst niemand interessierte. Das ging so lange gut, bis ausgerechnet unter diesem Land riesige Erdölvorkommen gefunden wurden. Die Osage hatten jedoch auch den Fehlern der Vergangenheit gelernt und sich gut dagegen abgesichert, erneut von geldgierigen und Glücksrittern oder von skrupellosen und korrupten Behörden verjagt zu werden. Eine dieser Absicherungen war, dass die Ölfelder im Osage-Land allen Stammesmitgliedern gehörten und deshalb nicht einzeln verkauft werden konnten. Die Einnahme wurden somit gerecht unter allen verteilt und niemand konnte sich hinein drängen.

Diese Absicherung war jedoch nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich: denn der US-Kongress erließ nach den Ölfunden Gesetze, die den Osage die Verfügungsgewalt über ihre Einnahmen nahm. Mit der Begründung, dass Indianer gar nicht in der Lage wären, ihr Geld selbst zu verwalten. Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft wurden daher von Treuhändern verwaltet.

Der Gipfel des Rassismus und der Diskriminierung war dabei, dass der Umfang dieser „Besachwaltung“ vom Stammbaum abhing: je mehr Osage-DNS im Stammbaum einer Person zu finden war, des mehr wurde bevormundet; ein Stammbaum, der nur aus Osage-Vorfahren bestand, bedeutete somit 100%ige Bevormundung.

Vormund waren immer Weiße: Politiker, Juristen, einflußreiche Bürger. Ein paar wenige davon gingen ehrlich mit ihren „Mündeln“ um, viele aber betrogen, belogen und bestahlen die Osage, wo immer es möglich war. Auch Mord wurde von diesen Leuten als mehr oder weniger akzeptable „Maßnahme“ angesehen.

Zu Beginn der 1920er-Jahre begann im Osage-Land eine Mordserie, die nach ein paar Jahren schon mehr als 20 Opfer gefordert hatte. Doch das interessierte niemanden, die Behörden unternahmen nichts oder stellten jegliche Nachforschung nach kurzer Zeit mit dem vagen Verweis auf deren Aussichtslosigkeit wieder ein. Es ging sogar so weit, dass man die Osage für diese ergebnislosen Ermittlungen hundertausende Dollars selbst bezahlen ließ.

Ein Wende trat erst ein, als der neue FBI-Chef J. Edgar Hoover diesen Fall als Chance für die Profilierung seiner jungen Behörde (und seiner selbst) wahrnahm. Im Jahr 1925 wurde der erfahrene Ermittler Tom White nach Oklahoma entsandt und stieß schon nach kurzer Zeit auf ein dichtes Netz von Korruption und Verschwörung.

Doch alle Beweise und Zeugenaussagen mussten vor Gericht nichts bedeuten, denn die Geschworenen waren durchwegs weiße Männer. Was das bedeuten konnte, illustriert in erschütternder Weise ein Zitat, das einem damals prominenten Osage zugeschrieben wird (S.271) :“… Für sie [die Geschworenen] geht es darum zu entscheiden, ob es Mord ist, wenn ein Weißer einen Osage tötet – oder nur Tierquälerei“.

Während das erste Kapitel noch etwas verwirrend mit all diesen Namen und Verbindungen ist, wird es ab dem zweiten Kapitel, als das FBI ins Spiel kommt, spannend wie in einem Thriller.

David Grann hat eine ungeheure Menge an Quellen durchforstet und legt mit „Das Verbrechen“ ein Buch mit zugleich großem Detailreichtum und stellenweiser ungemeiner Spannung vor. Das vorrangige Gefühl aber, das sich bei mir einstellt ist Ungläubigkeit; gepaart mit Entsetzen und Abscheu darüber, was an Ungerechtigkeit und Gewissenlosigkeit möglich war (ist).

Ein Buch, das ein weiteres Stück Klarheit in das für uns manchmal so fremdartige Verhalten vieler weißer US-Amerikaner bringt. Ich meine damit diejenigen Rassisten, die sich heute mit Waffen hochrüsten und mit Trump einen der ihren im Weissen Haus bejubeln. Diejenigen, die die USA als „Land of the Free“ bezeichnen und „So wahr mir Gott helfe“ sagen, damit aber nur Weiße meinen und einschließen. Deren Vorfahren und Brüder im Geiste waren die Initiatoren und Verantwortlichen für die Verbrechen an den Osage-Indianern.

PS: Ich glaube weiterhin, dass die große Mehrzahl der AmerikanerInnen ebenso liberal und human denkt wie die Mehrheit der Menschen in Europa. Den Ton geben derzeit aber leider andere an.




Ein Kommentar

  • doris stratmann sagt:

    Ich habe das Buch mit großer Spannung, und anfangs mit Ungläubigkeit gelesen. Ich glaube, dass der Rassismus in Amerika, und leider auch in Europa, seit der damaligen Zeit sich nicht erheblich verbessert hat.Es erschüttert mich immer wieder mit welcher Brutalität Menschen (!) Menschen Leid zufügen.
    Ich hoffe, dass dieses Buch von vielen Menschen gelesen wird und zum Nachdenken/Umdenken verleitet.

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