Buchbesprechung/Rezension:

Laura Spinney: 1918 - Die Welt im Fieber
Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte

1918 - Die Welt im Fieber
verfasst am 07.02.2018 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Spinney, Laura
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Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert voller Errungenschaften und Entdeckungen; in Erinnerung wird es aber hauptsächlich als Jahrhundert der Gewalt und der Katastrophen bleiben. Weltkriege, Hitler, Stalin, Mao, der Holocaust – eine schier endlose Liste. Weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt wurde dabei eine Katastrophe, die wohl mehr Opfer gefordert hat als alle anderen: die Spanische Grippe, die in den Jahren 1918-1920 über den Globus wütete.

Zu Beginn liefert die Autorin Laura Spinney einen historischen Rückblick auf die Erkenntnisse über Epidemien, die auch schon vor tausenden Jahren über die Menschen herein brachen und oft den Lauf der Geschichte beeinflussten. Nur langsam, in Jahrhunderten, wuchs das Wissen und damit die Erkenntnis, dass es sich dabei nicht um gottgegebenes Schicksal handelte sondern um Krankheiten, die von Viren und Bakterien verursacht werden.

Spannend ist es zu lesen, wie erst das Zusammenführen von wissenschaftlichen Erkenntnissen verschiedenster Disziplinen langsam zu einem historischen Überblick über die Zeit vor dem 19. Jahrhundert führte, wenn der auch weiterhin nur lückenhaft ist und bleiben wird.

Besser wissen wir Bescheid über die Zeit ab dem 19. Jahrhundert: in dessen zweiter Hälfte wurde durch bahnbrechnende Erkenntnisse und den allgemeinen Durchbruch der Wissenschaften der Grundstein für die Medizin gelegt, die uns heute ein Leben ermöglicht, wie es vor hundert Jahren undenkbar schien.

Denn 1918 fehlte es noch an grundlegenden Erkenntnissen. Die Spanische Grippe, deren Ausgangspunkt bis heute unklar ist bis auf den Umstand, dass er sicher nicht in Spanien lag, konnte sich über alle Erdteile ausbreiten und tötete – genau wird man es nie wissen – zwischen 2,5 und 5% aller Menschen auf der Erde. Ein traumatisches Ereignis, aus dem in den folgenden Jahrzehnten natürlich auch Lehren gezogen wurden; unsere Gegenmittel sind heute weitaus umfangreicher und besser – gänzlich verhindern lassen sich Pandemien aber bis heute nicht,

Es ist kein sehr einfach in Buchform zubringendes Thema. Die Wissenschaftsjournalistin Laura Spinney sammelte dazu eine ungeheure Menge an Daten und Informationen. Fakten über die Ausbreitung der Pandemie mischen sich mit Details über die Ereignisse in einzelnen Orten und Schicksalen einzelner Menschen.

Sie beschreibt detailreich das Unvermögen der Medizin, dieser Katastophe Herr zu werden, wie man versuchte, geeignete Gegenmittel zu finden und den Einfluss der Krankheit auf Entwicklungen in Politik, Wissenschaft und im sozialen Bereich. Sie erklärt aber auch, wie das weitgehende Scheitern der Wissenschaft bei der Bekämpfung der Krankheit, das (erneute) Aufkommen von so genannten Alternativen Heilmethoden förderte. Wem von seinem Arzt nicht geholfen werden konnte, der wandte sich in der Not Geisterheilern und Scharlatanen zu. Das ist ein Erbe, mit dem wir uns auch heute noch befassen müssen.

Die Menge der Daten hätte einer strukturierteren Darstellung bedurft. Daran scheitern dieses Buch jedoch in weiten Bereichen. Zu viele Informationen auf zu wenig Raum verstellen oft den Blick auf die wichtigen Fakten. Zudem beginnen für mein Gefühl zu viele Abschnitte sinngemäß mit „manche meinen“, „man glaubt“, „es wird angenommen“ o.ä.; zu viele Mutmaßungen, dort wo es an Fakten fehlt.

Dennoch: ein wertvoller und lesenwerter Beitrag zum Verständnis der Vorgänge im letzten Jahrhundert und auch über die Hintergründe für oft absurde Verhalten von Menschen, die klassische Medizin ablehnen und/oder Impfungen mit abstrusen Argumenten als reine Geldmacherei bezeichnen. Eine Medizin, die letztendlich dafür sorgt, dass wir immer älter werden und immer mehr Krankheiten heilen können.




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