Buchbesprechung/Rezension:

Klaus Brinkbäumer: Nachruf auf Amerika
Das Ende einer Freundschaft und die Zukunft des Westens

Nachruf auf Amerika
verfasst am 11.05.2018 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Brinkbäumer, Klaus
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Viele Blicke ins Innere einer Nation, die uns mit jedem Tag fremder und unverständlicher wird. Klaus Brinkbäumer lebte viele Jahre in den USA und seine Arbeit als Auslandskorrespondent (zB. für den SPIEGEL) öffnete ihm viele Türen und verschaffte ihm mehr und tiefere Einblicke in Menschen und Kultur, als es Europäern wohl ansonsten möglich wäre.

Mit einem angeberischen und egomanischen Präsidenten im Weissen Haus hat sich das Verhältnis zwischen Europa und den USA dramatisch verschlechtert. Auf beiden Seiten des Atlantik hoffen nun die vernüftigen Geister auf ein schnelles Ende dieser 4 Jahre, in denen einer, der niemals Präsident hätte werden können, würden Charakter, Integrität und Ehrlichkeit als grundlegende Bedingungen in der Jobbeschreibung stehen, enormen Schaden anrichten kann.

Doch es stellt sich die Frage, ob wirklich nach einer Amtszeit wieder Schluß ist. Oder ob williges und von Medien wie Fox News systematisch falsch informiertes Stimmvolk den Mann mit der Perücke und dem Solariumteint nicht noch einmal wählt.

Denn – und das ist einer der wesentlichen Schlüsse aus diesem Buch – das Auseinanderdriften begann nicht erst mit Trump. Barack Obama war im Gegenteil nur ein Intermezzo nach dem Katastrophen-Präsidenten George W. Bush, der mit seiner von Fundamentalisten wie Cheney, Rumsfeld und Wolfowitz gesteuerten Aussenpolitik für einen Großteil des Scherbenhaufes verantwortlich ist, der heute die Welt überzieht. Und auch Obama war, bei aller Wertschätzung für seine Integrität und seine Intentionen, kein Präsident, der viel bewegen konnte.

Klaus Brinkbäumer schildert anhand vieler Beispiele über individuelle Lebenswege, wie es überhaupt so weit kommen konnte, dass einer mit derart offensichtlichen und andauernden Lügen Präsident wurde – abgesehen vom Umstand, dass das amerikanische Wahlrecht es möglich machte, dass Hillary Clinton mit 3 Millionen Stimmern mehr eben nicht Präsidentin wurde.

Seine Verbindungen als Mitarbeiter des Spiegel verschafften Brinkbäumer das Privileg, mit ungemein vielen sehr berühmten und weniger berühmten Menschen sprechen zu können.

Dabei traf er weltoffene Frauen und Männer, solche, die die Zukunft als Chance erkennen, genauso wie solche, die man so schön als „alte, verkniffene, weißen Männer“ definieren kann, die die Zukunft vor allem als Bedrohung ihrer eigenen kleinen Welt betrachten. Die Obamas oder George Clooney (und viele ungemein interessante Menschen mehr) hier, die Lügenbarone von Trump bis Bannon samt ihrem Kampf gegen Meinungsfreiheit und Demokratie dort.

Brinkbäumer erzählt von einem Amerika, das aus zwei Teilen besteht. Die Küstenregionen in Ost und West, deren Bewohner überwiegend weltoffen gesinnt sind; und dem Inneren des Kontinents, für dessen Bevölkerung die Gegenwart vor allem ein Kampf um den Erhalt von (Ewig-)Gestrigem ist. Er erzählt von einem Amerika, das durchdrungen ist von scheinbar nicht zu besiegendem Rassimus und vom Einfluß von Einzelinteressen. Er erzählt aber auch von Menschen, die bereit sind, den Kampf für die Wieder-Errichtung der Demokratie aufzunehmen.

Es ist eine Vielzahl von Geschichten, die meisten davon über ein Amerika abseits der großen Schlagzeilen. In jeder dieser Gesichte schafft es Brinkbäumer das Gefühl zu vermitteln, man wäre dabei – so schafft er es tatsächlich, dass ich als Leser die Amerikanerinnen und Amerikaner etwas besser verstehe.

Vieles in diesem Buch ist natürlich aus den täglichen Nachrichten bekannt. Was dieses Buch dann aber darüber hinaus liefert, das sind die Hintergründe zu den uns bekannten kurzen Meldungen, es ruft uns weiter Zurückliegendes in Erinnerung und rundet das Bild ab.

In einer Zeit, in der Enthüllungsbücher über den amtierenden „Präsidenten“ die Bestsellerlisten anführen liefert „Nachruf auf Amerika“ ein Bild, das weit mehr einbezieht als nur das Weisse Haus und diese Ansammlung der falschen Leute an den Schaltstellen der Macht. Es liefert ein Bild über den Zustand des ganzen Landes.

Eine weit- und tief blickende Bestandsaufnahme. Wir könnten uns hier in Europa einfach zurück lehnen und das unwirkliche Treiben einfach nur aus der Ferne beobachten; das könnten wir, wenn – wenn es so viele ähnliche Tendenzen nicht auch bei uns gäbe. Mit Polen und Ungarn existieren mitten in der EU zwei Staaten, deren aktueller politischer Zustand durchaus mit den USA vergleichbar ist. Und mit Putin und Erdogan sitzen Trumps Brüder im Geiste direkt vor Europas Haustüre. Über die Regierungsbeteiligung der sog. „Freiheitlichen“ (welch ein Hohn, dieser Parteiname) bei uns gar nicht zu reden.

Bei allen Problemen, die wir auch in Europa mit Lügnern und Demagogen in unseren Parlamenten und Regierungen haben: es ist – noch – immer ein Hort der Demokratie gegenüber dem, zu dem momentanen Zustand der USA. Oft erschütternd zu erfahren, was sich dort abspielt und dabei ungemein interessant zu lesen.

Mit jeder einzelnen kurzen Geschichte gelingt es Brinkbäumer, alles zu erzählen, was dazu wichtig ist und es so zu erzählen, dass man es versteht und in gewisser Weise miterlebt. Das ist schon sehr beeindruckend und macht das ganze Buch zu einer ungemein informativen und dichten Lektüre über Amerika und seine Bewohner.




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