Éric Vuillard: Kongo
Autorin/Autor: Vuillard, Éric
Genre:
Buchbesprechung verfasst von: Andreas
Im Jahr 1884 trafen in Berlin die Vertreter von 14 Staaten zusammen und das zu verteilen, was keinem einzigen von ihnen gehörte: Afrika. Die Europäer (und die ebenfalls beteiligten Vereinigten Staaten) gefielen sich in ihrem Selbstverständnis als die Beherrscher des Erdballs.
Die Folgen dieser kolonialen Aufteilung des Kontinents sind bis heute zuspüren. Und bis heute hängen große Teile Afrikas weiterhin am Gängelband von uns Europäern. Es hat sich nur geändert, dass nun auch die USA, Russland und China ihren Anteil sichern möchten.
In der Folge der Konferenz wurde beispielsweise auch Deutschland endlich (so wird es wohl Kasier Wilhelm II. gesehen haben) Kolonialmacht und Belgien konnte sich Gebiete sichern, die die Größe des eigenen Landes um ein Vielfaches übertrafen: 4 Millionen Hektar Land am Kongo.
Was in diesem Gebiet folgte, war das mit Sicherheit widerwärtigste Kapitel in der Geschichte Belgiens. König Leopold II betrachtete das Gebiet als seinen privaten Besitz und regierte als Feudalherr. Seine Ansprüche wurde dabei brutal und gewissenlos – und mit wohlwollender Billigung des Königs für diese Methoden – von Söldnern durchgesetzt. Mord, Verstümmelung, Vergewaltigung waren alltäglich.
Darin unterschieden sich Leopolds Schergen in Nichts von den späteren SS-Mördern in Polen und den besetzten Gebieten und in den Konzentrationslagern.
Vuillard versteht es meisterhaft, Historisches mit Fiktion zu verbinden. Diese Fiktion wiederum ist so gestaltet, dass sie wohl auch eine der Möglichkeiten beschreibt, wie die Protagonisten vorgegangen sein konnten, oder wie sie mit ihrer eigenen Unmenschlichkeit lebten.
Das ergibt gemeinsam mit dem geschichtlichen Hintergrund eine Erzählung, bei der man das Grauen wahrhaft spüren kann, dass damals unter den Menschen in Afrika vorgeherrscht hat.
Im Gegensatz zu seinem neuesten Buch, schweift Vuillard allerdings allzu oft ab, ergeht sich in schwer überblickbaren Nebensächlichkeiten und verliert damit viel an Intensität. Es bleibt aber noch genug davon übrig, um darüber nachzudenken, was unsere Vorfahren in Afrika angerichtet haben und wieviel davon noch immer in der Gegenwart nachwirkt.
Ein Kapitel europäischer Machtpolitik, das in unseren Geschichtsbüchern, falls überhaupt, nur sehr am Rande gestreift wird.