Buchbesprechung/Rezension:

Olivier Guez: Das Verschwinden des Josef Mengele

Das Verschwinden des Josef Mengele
verfasst am 20.12.2018 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Guez, Olivier
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Das Beklemmende an diesem Roman ist, dass er Raum gibt, sich das Unvorstellbare vorstellbar zu machen. In der Schilderung des Lebens des Josef Mengele (das Wort „Mensch“) möchte ich in diesem Zusammenhang nicht verwenden) ist einerseits über seine abwegige Geisteswelt zu lesen; und andereseits über die Nazi-Netzwerke und ihre Dulder und Förderer, die eine erfolgreiche Verfolgung dieses Verbrechers vereitelten.

Als Mengele im Jahr 1949 unterkannt aus Deutschland fliehen konnte, kam er in das für die Nazis gelobte Land: Juan Perons Argentinien. Dabei muss man bedenken, dass seine Verbrechen zu dieser Zeit noch nicht so bekannt und gegenwärtig waren, wie es heute der Fall ist, er war einfach ein willkommener Gast in einem System, das sich als Erbe Hitler-Deutschlands sah.

Mit der Hilfe von Gesinnungsgenossen gelangten damals viele der untergetauchten Nazis nach Südamerika und konnten sich dort über viele Jahre unbedrängt ihr neues Leben aufbauen. Man verkehrte in den Zirkeln mit Gleichgesinnten, schwadronierte ungestraft über die Überlegenheit der Herrenmenschen und keiner verschwendete auch nur den kleinsten Gedanken daran, die eigenen Taten als Verbrechen zu betrachten; man tat ja alles nur, um dem deutschen Volk zur ihm zustehenden Überlegenheit zu verhelfen und weil es befohlen war.

Aus vielen Quellen zusammengestellt, schrieb der Autor Olivier Guez eine romanhafte Nachkriegsbiographie eines der unmenschlichsten Verbrechers der Geschichte. Gerade weil darin nur selten die Opfer zu Wort kommen, sondern vor allem die Rechtfertigungen und das Selbstmitleid Mengeles, ist dieser Roman umso erschütternder; man liest von Mengeles Gejammer und Bösartigkeit und stellt dazu das historische Wissen um die von ihm verübte, undenkbaren Grauen. Ein Gesamtbild entsteht, das oft nur schwer zu ertragen ist.

Er ist nicht alleine: man trifft sich, Nazigrößen genießen das Leben unter Peron, später Strössner in  Paraguay, bleiben jahrzehntelang verschont von einer nachlässigen Justiz vor Ort und in Deutschland. Es ist weiterer Aspekt dieses Romanes, der erschaudert lässt, dass bei den meisten der Personen, die Mengele trifft, gleich auch die Zahl der Opfer steht, für die sie verantwortlich sind. Immer sind es tausende, zehntausende.

Ein Geschichtsbuch in Form einer detailliert recherierten Biographie, ergänzt um Einblicke in die Gedankenwelt eines ewigen Nazis.

Ein Lesebuch für die steigende Anzahl derer, die verharmlosen, die nichts mit unserer Vergangenheit zu tun haben möchten, die darüber schimpfen, dass man ihnen angeblich die Schuld für die Taten unserer Großväter anlasten möchte … aber genau diese werden es wohl nicht lesen.




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