Buchbesprechung/Rezension:

Andreas Pittler: Bronstein
Sein vergessener Fall

Bronstein
verfasst am 26.04.2019 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Pittler, Andreas
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
LiteraturBlog Bewertung:

Schon selbst gelesen? Gib hier Deine Bewertung zum Buch ab!
[Gesamt: 4 Durchschnitt: 5]

Das Jahr 1936: in Österreich regieren die Christlich-Sozialen, Schuschnigg ist Kanzler und gibt sich als gläubiger Christ, kniet jeden Sonntag drinnen in der Kirche während er draußen diktatorische Macht ausübt, in überhaupt nicht christlichem Geist. Die Nazis, obwohl verboten, drängen immer unverhohlener an die Macht und verstecken sich nicht; ihre Anhänger sind überall zu finden, sie durchdringen die Strukturen des Staates.

Das ist der Hintergrund, vor dem David Bronstein es mit einem neuen Mordfall zu tun bekommt, der anders ist, als seine meisten anderen Fälle. Denn erstens finden Bronstein und sein Assistent Cerny keine verwertbaren Hinweise und alle Spuren erweisen sich alsbald als Sackgassen. Zweitens zeigt sein Vorgesetzter kein Interesse an der Aufklärung, denn das Opfer war ja doch nur ein Sozialist – wen interessiert es schon, wenn so einer umgebracht wird – im Ständestaat sind Sozialisten ja doch nur Gesindel und um das ist es nicht schade.

Um Bronstein wirklich davon abzuhalten, weiter in dem Fall zu ermitteln, wird er als Beobachter zum großen Sozialisten-Prozess abkommandiert. Dort will sich das Schuschnigg-Regime gegenüber dem Ausland als Rechtsstaat präsentieren. Damit die Regimegegner den Prozess nicht als Bühne für Demonstrationen nützen können, werden die Zuschauerreihen aber sicherheitshalber mit Staatsdienern besetzt – Bronstein nun unter ihnen.

Womit der Roman den für mich eigentlichen Hauptteil erreicht hat: den historischen Prozess im Jahr 1936, in dem u.a. Bruno Kreisky und andere prominente Vertreter der verbotenen Arbeiterbewegung des Hochverrates angeklagt waren.

Andreas Pittler liefert dazu Eindrücke vom Prozess, die sich wie Gerichtsreportagen lesen: eindringlich und beeindruckend lassen sich die Versuche des Staates miterleben, unter der Maske der Rechtsstaatlichkeit die Opposition kalt zu stellen – letztendlich stand für die Angeklagten ihr Leben auf dem Spiel, denn die Höchststrafe für Hochverrat war der Tod. Es ist dabei keine Frage, auf welcher Seite Bronstein selbst steht, er kann oft nur mit Mühe seine Sympathie für die Angeklagten verbergen.

Während dessen ermittelt Cerny alleine weiter im Mordfall. Doch es scheint, dass die beiden diesmal scheitern werden und die Tat unaufgeklärt bleibt.

Der Roman beeindruckt mich vor allem durch Beschreibung der Zustände in einem Österreich, das dabei ist, zu zerreissen zwischen unversöhnlichen und zutiefst einander verachtenden Lagern. Die Christlich-Sozialen und die Sozialisten, die noch an ein unabhängiges Österreich glauben – doch es gibt keine Gemeinsamkeit. Die einen haben ein faschistisches Regime errichtet, die anderen verfügen, in die Illegalität gedrängt, über keine Mittel mehr, sich gegen den Untergang des Landes zu stemmen.

Diese beiden Lager gegeneinander und alle gegen die Nazis, die sicher sind, dass sie mit Deutschland und Hitler die Macht hinter sich haben, die am Ende alle ihre Gegner, ob Christlich-Sozial, Sozialistisch oder was auch immer, vernichten wird.

Politisches Kalkül dominiert das Recht, korrumpiert die Rechtsstaatlichkeit und versperrt den Blick auf Gemeinsamkeiten und auf ein mögliches Miteinander.

Im Nachhinein betrachtet eine nicht nachvollziehbare Lage, in die sich Österreich gebracht hat; verfolgt man jedoch heutzutage die Aktivitäten der sog. „Freiheitlichen“, die bei uns gerade in der Regierung sitzen, liest man die Meldungen, die von und über diese Partei, ihre Mitgliedern und nahestehenden Organisationen an die Öffentlichkeit kommen, wie wir den täglichen „Einzelfall“ an Rassimus und Antisemitismus miterleben müssen, wie deren Protagonisten versuchen, Meinungsfreiheit zu begrenzen, dann bekommt man einen (wenn auch abgemilderten) Eindruck davon, was damals vorging.

In unserer Zeit, in der die Wortführer der Populisten das Sagbare immer weiter ausreizen und immer treue Mitschreier finden, ist es leider nicht mehr ganz so schwer, sich die Verhältnisse im jahr 1936 vorzustellen.

„Bronstein – Sein vergessener Fall“ ist ein aus mehreren Gesichtspunkten lesenswertes Buch: ein spannender Krimi und ein historischer Roman mit dem Anspruch, uns aus den Ereignissen der Vergangenheit etwas lernen zu lassen.




Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Top