Buchbesprechung/Rezension:

Jens Balzer: Das entfesselte Jahrzehnt
Sound und Geist der 70er

Das entfesselte Jahrzehnt
verfasst am 15.09.2019 | einen Kommentar hinterlassen

Autorin/Autor: Balzer, Jens
Genre:
Buchbesprechung verfasst von:
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Eine Reise in die 1970er-Jahre, abseits der Nostalgie. Jens Balzer streift in seinem Buch eine ganze Reihe von Themen, vor allem aber geht es um die Strömungen und Entwicklungen in der Musik und in der Gesellschaft. „Das entfesselte Jahrzehnt“ist kein typisches 70er-Revival Buch, sondern versucht sich in einem Blick auf Zusammenhänge und Hintergründe.

Auch wenn mir beim Lesen bewusst wird, wie lange dieses Jahrzehnt schon vorbei ist: damals fanden die für mich prägenden Ereignisse statt, die 1970er waren „mein“ Jahrzehnt. Ich lese das Buch daher auch mit ein bisschen Wehmut. Wehmut über die Dinge, die uns damals so bedeutsam erschienen, im Rückblick aber nichts bedeuten, Dinge, die damals wichtig waren, aber bald verschwanden; aber – natürlich – lese ich das Buch auch mit Freude, wenn ich an einiges erinnert werde, das mir in Vergessenheit geraten war.

Jens Balzer ist dieses Buch wohl so ähnlich angegangen, wie ich es für mich persönlich auch tun würde: nach seinen persönlichen Vorlieben, nicht nach dem, was für die Allgemeinheit wichtig war (Wobei der Autor, geboren im Jahr 1969, das Jahrzehnt in weiten Teilen nur aus Erzählungen kennen kann).

So begegnet man immer wieder den selben Personen, liest über deren Einfluss auf Strömungen der (Pop)Kultur. David Bowie und Charles Manson haben bei Jens Balzer sichtlich gewaltigen Eindruck hinterlassen, denn diese beiden treten immer wieder auf. Daneben sind ganze Kapitel der Erzählung speziellen Themen gewidmet: der Mondlandung, Perry Rhodan, Star Wars, der  Studentenbewegung, der Vokuhila-Frisur, Der Herr der Ringe,  und viele mehr.

Einige dieser Themen waren auch meine und deshalb kann ich in annähernd der Hälfte des Inhaltes sehr gut „mitreden“. Was in diesem Fall für meine Buch-Bewertung eher abträglich ist, denn es haben sich ein paar sachliche Fehler eingeschlichen. Ich muss annehmen, dass das auch in den mir weniger geläufigen Abschnitten des Buches so ist.

Es mischen sich (für mich) spannende und erinnernswerte Kapitel mit Kapiteln, in denen ich die Bewertung der Bedeutung der Ereignisse nicht wirklich nachvollziehen kann. Jens Balzer zieht Schlüsse und postuliert Begründungen auf Basis von mir gänzlich unklaren Umständen. Nach Lektüre des Buches könnte man meinen, dass sich die Entwicklungen des Jahrzehnts nur auf eine Handvoll Leute zurückführen lässt, die letztendlich alles beeinflusst hätten. Oder zumindest David Bowie beeinflusst haben, der somit zumindest die zweitwichtigste Figur des Jahrzehnt gewesen wurde.

Während weite Teile des Buches wirklich tiefe Einblicke in das Jahrzehnt geben, so ist es als Buch für später geborene, die sich über die 1970er kundig machen wollen, zu eindimensional: es gab viel mehr, als man hier lesen kann und es gab – aber auch das ist natürlich subjektiv – viel entscheidendere Themen, die nachhaltiger wirkten, als das, was Jens Balzer als den „Sound und Geist der 7oer“ (so der Untertitel) beschreibt.

Ein Aspekt jedoch, der mir tatsächlich nicht bewusst war, ist, wie viele der Nonkomformisten, die Progressiven, derjenigen also, die den Anspruch hatten, gegen die Verstaubtheit und den Geist der Eltern- und Großeltern-Generation anzutreten, den autoritären und brutalen Gestalten der Geschichte huldigten. Adolf Hitler und die Nationalsozialisten und auch Stalin wurden zu Idolen, weil ein paar einflußreiche Gestalten – wohl auch meist unter Drogeneinfluß – das als chic empfanden; David Bowie war einer davon. Und der Antisemitismus der angeblich politisch linken RAF ist sowieso hinlänglich bekannt.

Mein sehr persönliches Fazit:

So wie mir, wird jeder/jedem, die/der in den 1970ern heran wuchs, eine ganze Reihe an wichtigen und einflussreichen Ereignissen und/oder Personen einfallen, die in diesem Buch überhaupt nicht erwähnt werden. „Sound und Geist der 7oer“  ist also weniger eine wissenschaftliche, sicher keine vollständige, sondern eine sehr subjektive, aus der persönlichen Sicht des Autors erstellte Übersicht.

Das aber, was er schreibt ist dann gut gelungen und bietet – auch für mich – einige neue Einblicke in das Jahrzehnt.




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